EIGENNAMEN ALS KULTURSPEZIFISCHE SYMBOLE ODER:

WAS SIE SCHON IMMER ÜBER EIGENNAMEN WISSEN WOLLTEN

Maria Thurmair, Universität Regensburg (Deutschland)

 

 

0 Einleitung

1 Eigennamen als spezifische Elemente des Sprachsystems

1.1 Formale Kennzeichen von Eigennamen

1.2 Semantisch-pragmatische Kennzeichen von Eigennamen

2 Eigennamen als kulturspezifische Symbole

2.1 Kulturspezifisches Wissen: Eigennamen als ‚Wissensträger‘

2.2 Eigennamen in appellativen Strukturen

2.2.1 Wortbildung

2.2.2 Metaphern

2.3 Eigennamen und ihre Konnotationen

2.3.1 Klassifikatorische Konnotation

2.3.2 Spezifische Konnotationen

2.3.2.1 Geographische Konnotationen

2.3.2.2 Religiöse Konnotationen

2.3.2.3 Konnotationen des Alters

2.3.2.4 Soziologische Konnotationen

2.3.2.5 Politische und ideologische Konnotationen

2.3.2.6 Konnotationen bei Namenswahlmöglichkeit

2.3.3 Die Nutzung von Konnotationen

3 Zusammenfassung

Literatur

 

 

0 Einleitung

 

Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit dem Phänomen der Eigennamen, wobei der Schwerpunkt auf den Charakteristika der Eigennamen als kulturspezifischer Symbole liegen soll und diese vor allem aus der Sicht eines fremdsprachlichen Benutzers untersucht werden sollen. Dabei soll neben den formalen und semantisch-pragmatischen Kennzeichen einmal das mit dem Gebrauch des Eigennamens evozierte außersprachliche Wissen analysiert werden sowie die verschiedenen Konnotationen, die Eigennamen haben können. Gerade für den fremdsprachlichen bzw. fremdkulturellen Benutzer ergeben sich hier spezifische Defizite. Eine derartige Betrachtungsweise ‚von außen‘ bleibt in der Forschung weitestgehend ausgeklammert. Die deutsche Onomastik beschäftigt sich – soweit ich dies überblicke – zentral mit diachronen Fragestellungen, daneben auch mit der Semantik und der Pragmatik von Namen; die Perspektive des fremdkulturellen Benutzers wird dabei allerdings nicht eingenommen – mit einer Ausnahme: dem Eigennamen als Übersetzungsproblem (s. dazu u.a. Gläser 1976/1989 oder Kalverkämper 1996).[1]

 

Im Hinblick auf interkulturelle Kommunikation wie auch auf Fremdsprachenlernen gelten Eigennamen offensichtlich als unproblematisch (stellvertretend dafür Luchtenberg 2000, die m.W. einzige Publikation, die sich mit Fremdsprachenlernen und Eigennamen beschäftigt: „Man kann davon ausgehen, dass Eigennamen kein „Lernproblem“ oder keine besondere Schwierigkeit des Sprachlernens darstellen“ (2000: 336); gleichzeitig hebt sie aber hervor, dass Eigennamen eine intensive Beschäftigung mit Fragen der zu lernenden Sprache und Kultur erlauben). Welche Probleme fremdkulturelle und fremdsprachliche Benutzer im onomastischen Bereich haben können, insbesondere, welche Wissens- und sonstigen Defizite auftreten können,[2] soll im Folgenden gezeigt werden.

 

 

1 Eigennamen als spezifische Elemente des Sprachsystems

 

Eigennamen stellen in mehrfacher Hinsicht spezifische Elemente eines Sprachsystems dar: formal, semantisch und pragmatisch sowie was ihren Erwerb und ihre Speicherung betrifft. Dennoch sind Eigennamen dem System einer Einzelsprache zuzuordnen, einmal, weil Sprachen ihre eigenen Formen von Eigennamen ausgebildet haben, weil sich Eigennamen im Wesentlichen aus einzelsprachlichen Appellative entwickelt haben oder auch einzelsprachlich markiertes lexikalisches Material erkennen lassen und weil Eigennamen umgekehrt in das Sprachsystem integriert werden können – etwa, wenn sie zum Appellativ werden; zum anderen sind Eigennamen und die mit ihnen identifizierten Referenzobjekte sowie das damit verbundene Wissen ein wesentlicher Bestandteil einer Sprach- und Kulturgemeinschaft. Da Eigennamen also insofern zwar spezifische Elemente eines Sprachsystems bilden, aber dennoch einzelsprachlich sind, stellt ihre Übersetzung (oder eben Nicht-Übersetzung) ein schwer wiegendes Problem dar (vgl. Gläser 1976/1989 oder Kalverkämper 1996).

 

1.1 Formale Kennzeichen von Eigennamen

 

Eigennamen sind formal eine Besonderheit im Sprachsystem: das betrifft ihre grammatischen, phonetischen und graphischen Charakteristika.

 

In grammatischer, d.h. morphosyntaktischer, Hinsicht unterliegen Eigennamen wesentlich strengeren Beschränkungen als Elemente des allgemeinen Wortschatzes:

Was den Numerus betrifft, so treten Eigennamen im Allgemeinen im Singular auf: sie dienen ja dazu, ein Referenzobjekt zu identifizieren; kommt dennoch eine Pluralform vor (gebildet dann mit dem Pluralmorphem –s[3]), so herrschen immer besondere Kontextbedingungen: meist wird dann eine Mehrzahl individualisierter Referenzobjekte, die den gleichen Namen tragen, gemeinsam bezeichnet (z.B. eine Familie bei den Personennamen: die Mann’s oder beide Deutschlands usw.); daneben existieren Namen, die von vornherein eine Bündelung mehrerer Einheiten bezeichnen wie die Alpen, die Niederlande oder die Vereinigten Staaten, diese Namen sind dann nur im Plural, nicht jedoch im Singular zu verwenden.

 

Eigennamen unterliegen ebenso strengeren Regeln, was ihren Artikelgebrauch betrifft: im Allgemeinen werden sie – vor allem Orts- und Personennamen – ohne Artikel verwendet (z.B.: Sie liebt __ Frankreich / __ Berlin / __ Hans Maier.); unter bestimmten Bedingungen kann systematisch ein Artikel, dann aber der bestimmte Artikel, nötig sein, etwa bei Ländernamen (die Schweiz, der Iran), bei Fluss- und Bergnamen (der Rhein, der Arber), bei Straßen- und Plätzenamen (die Mozartstraße), bei Firmen / Institutionen / Organisationen, wenn der Name ein Appellativum enthält (die Sozialdemokratische Partei Deutschlands / die SPD)[4]. Spezifische Kontextbedingungen führen darüber hinaus zur Verwendung des bestimmten Artikels bei attribuierten Länder- und Ortsnamen (das alte Berlin) und bei Personennamen (die Callas, der Tom): hier lassen sich regionale Unterschiede feststellen (im süddeutschen Sprachgebrauch besteht eine Tendenz des (konnotationsfreien) Gebrauchs von Personennamen mit Artikeln; in anderen Regionen kann damit auf besonders bekannte Personen oder auch auf vertraute Personen verwiesen werden). Die Verwendung des unbestimmten Artikels bei Eigennamen ist selten und signalisiert ganz besondere Interpretationsbedingungen: so wird oft angenommen, dass es sich um einen Gebrauch als (abgeleitetes) Appellativ handelt (s. dazu Kolde 1995: 405 und die dort angegebene Literatur), um metaphorischen Gebrauch (z.B. Sie ist eine Mata Hari) und einige andere spezifische Verwendungen. (Vgl. zu diesem ganzen Komplex Leys 1989, Kolde 1992, Lötscher 1995, Kalverkämper 1994, Weinrich 1967/1976, Weinrich 1993: 423ff., Hoffmann 1999 und Thurmair 2002).

 

Eigennamen können weiterhin die Form eines (vorangestellten) possessiven Genitivs einnehmen, was andere Substantive nicht können (z.B. Evas Auto, Brandenburgs Seen).

 

Eigennamen weisen graphische Besonderheiten auf: einmal die durchgehende Großschreibung am Wortanfang (Schwarzes Meer, Kap der Guten Hoffnung)[5]; zum anderen die Tatsache, dass sich oft alte Schreibweisen gehalten haben (Thalhammer, Soest, Goethe) und zum dritten, dass es – gerade auch zur weiteren Differenzierung bei den funktional stark belasteten Personennamen – Mehrfachschreibungen gibt (Schmidt/ Schmitt/Schmid oder Meier/Maier/Mayer/Meyer/Mair etc.; s. dazu genauer Nerius 1995).

 

Eigennamen können phonetische Besonderheiten aufweisen, insofern sie Laute oder Lautkombinationen enthalten können, die im Kernwortschatz nicht vorkommen (z.B. Wrba, Jacqueline); dies gilt natürlich insbesondere bei der Übernahme von Namen aus anderen Sprachsystemen. In Eigennamen können schließlich auch alte Formen oder dialektale Formen erhalten bleiben (z.B. Bruck statt Brücke).

 

1.2 Semantisch-pragmatische Kennzeichen von Eigennamen

 

Die generelle semantische Spezifik der Eigennamen liegt darin, dass durch ihren Gebrauch ein Referenzobjekt eindeutig identifiziert und individuiert wird. Ohne die Diskussion über die Semantik von Eigennamen und ihre Intension/Extension hier genauer nachzuzeichnen (s. dazu etwa Lötscher 1995, Nicolaisen 1995, Werner 1995 und die jeweils dort angegebene Literatur), gehe ich davon aus, dass durch die Verwendung eines Eigennamens auch eine Verbindung zu den Eigenschaften des Namensträgers, also des identifizierten Individuums hergestellt wird, d.h. dass mit Eigennamen ein Wissen um Charakteristika oder Eigenschaften des Namenträgers verbunden ist und dass dieses Wissen, das natürlich je nach Sprachbenutzer unterschiedlich ausgeprägt ist, Voraussetzung für den erfolgreichen Gebrauch von Eigennamen ist (vgl. dazu auch Hoffmann 1999: 221 oder Kalverkämper 1995: 443).

 

Eigennamen werden auf Grund dieser ihrer spezifischen semantischen Leistung auch anders gelernt: nämlich einmal im Dialog en passant über Beschreibungen, Appositionen oder Prädikationen oder durch Metasprechakte (vgl. Werner 1995: 483), wie: „Darf ich vorstellen: das ist Sabine“ oder „Schau, hier liegt Kirchberg, der Ort, wo ich in die Schule gegangen bin“. Nach Koß (1990: 71ff) ist der Erwerb von Namen in Handlungen eingebettet, wozu er auch schulisches Lernen von Ortsnamen oder Namen historischer Personen zählt. Ganz offensichtlich werden Namen auch anders gespeichert, worauf bereits das Konzept des spezifischen Namensgedächtnisses hindeutet (s. dazu Wippich 1995 und die dort angegebene Literatur).

 

Die Kenntnis von Eigennamen ist demzufolge auch in stärkerem Maße spezifisch für Einzelsprecher oder Sprechergruppen: es lässt sich zwar ein zentraler Wortschatz bestimmen, den man beim Erst-/Zweitspracherwerb erwirbt, aber es gibt keinen überindividuellen zentralen Namenschatz. „Wenn Sprecher gewisse EN [Eigennamen; M.T.] nicht kennen, so kann das ein Anzeichen für mangelnde Informiertheit oder Bildung sein; man kann dies aber nicht als unzulängliche Sprachbeherrschung werten“ (Werner 1995: 477). Aus dieser Ansicht lässt sich vielleicht ableiten, warum Eigennamen so gut wie kein Thema für interkulturelle Zusammenhänge oder auch für den Fremdsprachen­unterricht darstellen.

 

Dennoch ist davon auszugehen, dass es zum Einen einen bestimmten kulturtypischen ‚Eigennamenschatz‘ gibt, der vielleicht nicht primär zum sprachlichen, wohl aber zum kulturellen Wissen gehört: das heißt, es gibt Referenzobjekte, genauer: Personen, Orte, Institutionen, Warennamen u.ä., deren Kenntnis und deren Namen innerhalb einer Kultur vorausgesetzt werden kann; und dieser kulturspezifische Namenschatz muss beim Erwerb einer Sprache und einer Kultur mit-erworben werden, wenn man am gesellschaftlich relevanten öffentlichen Diskurs teilnehmen will. Zum anderen gibt es auch im Bereich der Eigennamen bestimmte Spezifika, die über das enzyklopädische bzw. außersprachliche Wissen hinausgehen und insofern auch zu einer umfassenderen Sprachkompetenz gehören – darunter fasse ich die weiter unten (in 2.3) genauer analysierten Konnotationen.

 

Die Verwendung von Eigennamen hat aufgrund der beschriebenen semantischen und pragmatischen Spezifik den Vorteil, mit geringem planerischem und artikulatorischem Aufwand referieren zu können, d.h. Eigennamen sind ein besonders ökonomisches Referenzmittel, ihre Verwendung ist aber – aufgrund der unterschiedlichen Eigennamen-Kenntnis – mit Nachteilen und Risiken verbunden (vgl. Werner 1995: 483; zur Verwendung von Eigennamen bei vermutetem Informationsdefizit beim Hörer s. auch Werner 1986/1989)), die sich beim fremdkulturellen Benutzer noch verstärken. Während nämlich das Problem bei einem Benutzer aus der gleichen Kultur fast ausschließlich ein Wissensproblem ist (also die Frage im Vordergrund steht: kenne ich diesen Eigennamen oder nicht und was weiß ich über das damit identifizierte Referenzobjekt?), kommen beim fremdkulturellen Benutzer möglicherweise noch ‚konnotative Defizite‘ dazu, die m.E. wesentlich problematischer sind, weil sie weitgehend nicht alleine aufzulösen sind – weder durch Wörterbücher noch durch Lexika.

 

Eigennamen sind weiterhin insofern ein Spezifikum, als ihre ‚wörtliche‘ Bedeutung – wenn sich denn eine solche rekonstruieren lässt – im Allgemeinen nicht (mehr) relevant ist: Herr Fischer kann jeden Beruf haben[6], die Straße Am Waldrand kann mitten in der Stadt liegen, in Regensburg gibt es keine Burg und Düsseldorf ist kein Dorf usw. Eigennamen sind deshalb auf dieser Ebene in der Regel auch nicht übersetzbar. (Dazu passt auch einer der Grundsätze der Onomastik: Eigennamen lassen sich letztlich auf Appellative zurückführen, verlieren aber im Übergang zum Eigennamen diese appellativische Bedeutung und damit ihre Motiviertheit (s. dazu u.a. Koß 1995: 458)).

 

 

2 Eigennamen als kulturspezifische Symbole

 

Die Spezifik der Eigennamen liegt nun zwar grundsätzlich darin, dass durch ihren Gebrauch ein Referenzobjekt eindeutig identifiziert und individuiert wird, dass aber gleichzeitig durch ihren Gebrauch das Wissen um Charakteristika oder Eigenschaften des Namenträgers aktiviert wird.

 

2.1 Kulturspezifisches Wissen: Eigennamen als ‚Wissensträger‘

 

Durch den Gebrauch von bestimmten Eigennamen wird Bezug genommen auf außersprachliches Wissen um die damit bezeichneten Referenzobjekte: das kann insbesondere historisches, politisches oder kulturelles Wissen sein und sich auf Personen, Orte, Daten, aber auch Institutionen beziehen; die ‚Reichweite’ dieses Wissens ist kulturspezifisch, d.h. es gibt bestimmte Eigennamen und die Referenzobjekte, deren Kenntnis innerhalb einer Kultur allgemein vorausgesetzt wird und vorausgesetzt werden kann; das außersprachliche Wissen ist dann innerhalb einer Sprach- und Kulturgemeinschaft fest mit dem entsprechenden Namen verbunden. Kalverkämper (1995: 444) spricht hier von konnotationsstarken[7] Namen, die an Handlungszusammenhänge, Traditionen und kulturelle Prägungen anbinden; er nennt hier als spezifische Orte: Atlantis, Canossa, Helsinki, Stalingrad, Verdun, Watergate, Waterloo, Auschwitz, Dresden, Hiroshima, Tschernobyl, Fatima, Lourdes, als Personen: Einstein, Gandhi, Jesus, Kolumbus, Robinson Crusoe, Winnetou, als Daten: 1492, 1789, 1945.

 

An diesen Beispielen sieht man die unterschiedliche Reichweite des vorauszusetzenden außersprachlichen Wissens: manche Eigennamen können als weitgehend universal bekannt, manche als abendländisch, manche als europäisch und manche als spezifisch deutsch bezeichnet werden. Entsprechend der Herkunft eines fremdkulturellen Benutzers können sich somit spezifische Wissensdefizite ergeben. Diese können allerdings durch Konsultation entsprechender Lexika behoben werden; und der Fremdsprachenunterricht etwa versucht im Bereich der Landeskunde, zumindest die wichtigsten spezifisch deutschen Eigennamen dieser Art und das Wissen über die dazugehörigen Referenzobjekte zu vermitteln.

 

2.2 Eigennamen in appellativen Strukturen

 

Der Bezug auf das kulturspezifische Wissen wird im Sprachgebrauch dann besonders problematisch, wenn Eigennamen (im Zuge einer Bedeutungsverschiebung) zu Appellativa werden, und dann nicht mehr der reinen Identifikation eines Individuums dienen, sondern auf bestimmte ‚Merkmale‘/‚Eigenschaften‘ Bezug nehmen, die typischerweise mit dem Referenten des Eigennamens verbunden sind. Dies soll an zwei strukturell unterschiedlichen Verwendungen gezeigt werden, nämlich Eigennamen in der Wortbildung (2.2.1) und Eigennamen im metaphorischen Gebrauch (2.2.2). Als besonders sensibles kulturspezifisches Wissen im Zusammenhang mit Eigennamen gerade für den fremdkulturellen Benutzer können darüber hinaus die kulturspezifischen Konnotationen von Eigennamen gelten (insbesondere bei Personennamen; mehr dazu in 2.3).

 

2.2.1 Wortbildung

 

Eigennamen können auf vielfältige Weise in Wortbildungsprozesse eingebunden sein; als noch relativ unproblematisch – auch für den fremdsprachlichen Benutzer – sind diejenigen Wortbildungen zu bezeichnen, bei denen der Eigenname dazu dient, den Erfinder, Entdecker oder ‚Entwerfer‘ eines Objektes zu benennen oder die Person, der etwas gewidmet ist; etwa: Röntgenstrahlen, Dieselmotor, Chanelkostüm, Kneippkur, Semperoper, Büchnerpreis, Goethemedaille. In diesem Falle der Komposita ist die Interpretation auch bei fehlendem enzyklopädischen Wissen wenigstens annähernd möglich, da das appellativische Zweitglied eine Interpretation gestattet. Gehen aber diese Eigennamen in andere Wortbildungsprozesse ein – in Verben oder Adjektive –, gestaltet sich die Interpretation schon sehr viel schwieriger, da in diesen Fällen das außersprachliche Wissen um bestimmte zentrale oder typische Eigenschaften des mit dem Eigennamen bezeichneten Referenzobjektes zur Interpretation herangezogen wird und zur Grundlage eines Vergleichs gemacht wird. Dabei können die Wortbildungen, die Verben oder Adjektive von Personennamen ableiten, auf mehr oder weniger bekannte Personen und mehr oder weniger bekannte Eigenschaften referieren: Verben wie kneippen oder röntgen, die nach den ‚Erfindern‘/‘Entdeckern‘ bestimmter Handlungen benannt sind (entsprechende Adjektive wären ciceronisch oder faustisch, die Eigenschaften nach relativ bekannten Personen benennen), sind demzufolge immer noch einfacher[8] zu interpretieren als etwa rilken, hegeln, barzeln, heideggern (alle Beispiele bei Motsch 1999: 61), kafkaesk oder twiggyhaft (Motsch 1999: 202)[9]: In diesem Fall muss nicht nur die Person bekannt sein, sondern auch das Spezifische des Vergleichs.

 

Nun wird aber dieses Wortbildungsmuster auch in bestimmten Textsorten – vor allem in journalistischen Texten – mit gerade aktuellen mehr oder weniger bekannten Personen verwendet; die richtige Interpretation setzt dann ein relativ aktuelles kulturspezifisches Wissen voraus, das ‚Verfallsdatum‘ dieser Bildungen ist kurz (und sie stellen – im Bedarfsfall – Übersetzer vor unlösbare Probleme). Einige Beispiele:

 

(1)   Er kimbelt durchs Land. (Motsch 1995: 528)

[Vorausgesetztes Wissen: die Existenz einer Fernsehserie „Auf der Flucht“, in der eine Person namens Kimbel die Hauptrolle spielt, die ständig auf der Flucht ist]

 

(2)   Andererseits hält man Stoiber, wenn auch eher außerhalb Bayerns, für einen volksnahen Bierzelt-Tribun, der im politischen Kampf Parteifreunde und Gegner niederhubert und ausgoppelt. (Süddeutsche Zeitung (=SZ) 29./30.12.2001, S. 4)

[Vorausgesetztes Wissen: die Kenntnis der bayrischen Politiker Erwin Huber und Alfons Goppel und ihres spezifischen Verhaltens in politischen Auseinan­dersetzungen]

 

(3)   „Viele Frauen wissen, dass man sich über die Boulevard-Schiene schnell hochnaddeln kann“, sagt Experte Paul Sahner, Vize-Chefredakteur der Bunte. (SZ 30.11.01, S. 43)

[Vorausgesetztes Wissen: die Kenntnis von Nadja Abdel Farrag, die zu einer gewissen Medienprominenz dadurch gekommen ist, dass sie die langjährige Freundin eines bekannten deutschen Musikers und Musikproduzenten war – mit öffentlich ausgetragenen Streitereien und Trennungen]

 

In manchen Fällen wird bei diesen ad-hoc-Wortbildungen allerdings eine Erklärung mitgeliefert, wie z.B. in (4) oder in (5), das darüber hinaus zeigt, dass die appellative Verwendung von Eigennamen kein Charakteristikum der deutschen Sprache ist:

 

(4)   [Franz] Beckenbauer redet gern und viel – er „franzelt“, sagen sie in Fußballerkreisen. Seine Stimme ist ruhig und kommt von irgendwo tief unten. Man könnte auch sagen, dass franzeln wie blubbern klingt, vielleicht trägt das zum Gefühl bei, man könne versinken in lauter Beckenbauer. (SZ-Magazin Nr. 2, 11.1.2002, S. 6)

 

(5)   [aus einem Bericht über Lourdes Maria Cicconne Leon, die Tochter von Madonna]
Lourding it up bedeutet in Großbritannien mittlerweile so viel wie: es gelassen nehmen. (SZ-Magazin Nr. 26, 28.6.2002, S. 30)

 

Der fremdkulturelle Benutzer steht bei Bildungen wie (1) – (3) vor großen Interpretations­problemen: zunächst muss erkannt werden, dass es sich bei der Basis der Wortbildungen um Eigennamen handelt, mit der Folge, dass sie im Allgemeinen in keinem Wörterbuch aufzufinden sind: und selbst wenn es gelingt, das enzyklopädische Wissen um die Namenträger zum Beispiel durch die Konsultation eines Lexikons zu erwerben, ist immer noch nicht klar, welche spezifische Eigenschaft nun die Grundlage des Vergleichs bildet.

 

2.2.2 Metaphern

 

Vergleiche und Metaphern mit Eigennamen treten natürlich nicht nur in Wortbildungen auf, sondern auch in anderen Strukturen. Ein wesentliches Kennzeichen für metaphorisch verwendete Eigennamen ist der Gebrauch von Artikeln: im Allgemeinen kann der unbestimmte Artikel ein Indiz für metaphorische Verwendung sein (zu anderen spezifischen Funktionen von unbestimmtem Artikel und Eigennamen s. Leys 1989, Kolde 1995 und Thurmair 2002); vgl. z.B.:

 

(6)   Der junge General ist ein Napoleon.

 

(7)   Helmut Kohl war kein Adenauer / kein Don Juan.

 

Unter bestimmten Kontextbedingungen, nämlich einer angezeigten Konterdetermination[10], kann statt des unbestimmten Artikels auch der bestimmte stehen; vgl. Beispiele wie (8)-(11):

 

(8)       Mark Knopfler, der Paganini der Rockmusik (SZ, 12.6.2001, S. 18)

 

(9)       Lodz, das Manchester des Ostens

 

(10)     Immerhin schafften es die Deutschen Südamerikas mit Skandal-Torhüter Chilavert, dem Effenberg Paraguays ins Achtelfinale [...] auch wenn gegen Japan Emre Belözoglu, der Maradona des Bosporus, [... nicht] zum Einsatz kam. (SZ 19.6.2002, Nr. 139, S. 21)[11]

 

(11)     ... inoffiziell wird er der „John Wayne der Kunst“ genannt. (Db mobil, 10/01, S. 74)

 

In diesen Fällen des metaphorischen Gebrauchs können Eigennamen hervorstechende, typische Eigenschaften der Träger transportieren (s. dazu etwa Weinrich 1967/1976: 322f., Kalverkämper 1995: 445, Lötscher 1995: 455 oder Thurmair 2002). Das Problematische in all diesen Strukturen ist, dass – insbesondere für den fremdsprachlichen und fremdkulturellen Benutzer – in vielen Fällen unklar ist, was als Grundlage des Vergleichs dienen soll, was also die spezifische bzw. typische, zum Vergleich herangezogene Eigenschaft darstellt: diese Vergleiche und Metaphern basieren oft auf einem Wissen, das nicht in Lexika niedergelegt ist.

 

Für die metaphorischen Beispiele lassen sich verschiedene Grade der Usualität unterscheiden, d.h. der metaphorische Gebrauch der Eigennamen ist unterschiedlich verfestigt, was sich auch am grammatischen Verhalten zeigt:

(1) Die erste Gruppe umfasst Eigennamen, die in ihrem metaphorischen Gebrauch usualisiert sind, d.h. dass der Eigenname stereotyp für bestimmte feste Eigenschaften steht und insofern wie ein Appellativ verwendet wird. Stellenweise ist den Sprachbenutzern kaum noch bewusst, dass es sich ursprünglich um ein konkretes Referenzobjekt (z.B. eine Person oder einen Ort) handelt. Beispiele hierfür sind etwa als Personennamen Casanova, Kassandra oder Krösus. Diese usualisierten Metaphern lassen sich relativ problemlos (nur) mit dem unbestimmten Artikel verbinden, der den metaphorischen Gebrauch signalisiert (z.B. Gerhard ist ein Casanova), aber sie lassen sich – im Unterschied zu den nächsten beiden Gruppen nicht gut mit ein/e zweite/r/s verbinden (z.B. ?? Gerhard ist ein zweiter Casanova), dafür wiederum gut mit einem sogenannten Schärfe-Indikator (z.B. Gerhard ist ein richtiger/echter Casanova), da es ein allgemein geteiltes Verständnis der übertragenen Bedeutung gibt (s. dazu genauer Thurmair 2002). Einige dieser Eigennamen finden sich sogar in Wörterbüchern mit Angabe der stereotyp damit verbundenen Bedeutung und Angabe der Person oder des Ortes, auf die oder den der Name zurückgeht. Im „Deutschen Wörterbuch“ von Wahrig sind dies unter anderen: Benjamin ‚Jüngster‘, Casanova ‚Frauenliebling, Frauenverführer‘, Don Juan ‚Frauenheld, Verführer‘, Dulzinea ‚Freundin, Geliebte‘, Krösus ‚steinreicher Mann‘, Mekka ‚Ort, der eine große Anziehungskraft ausübt‘, Nestor ‚alter, weiser Berater‘, Xanthippe ‚zanksüchtiges Weib‘. Das außersprachliche Wissen ist in diesen Fällen so stereotyp mit dem Namen verbunden, dass dies dazu führen kann, dass im Falle von negativen Eigenschaften diese auch nicht als Namen gewählt werden dürfen; in diesem Sinne sind in Deutschland Namen verboten, die dem Ansehen des Namenträgers schaden könnten, weil sie durch einen bestimmten Träger „in Verruf geraten“ sind (Seibicke 1977: 48, s. auch 13), wie z.B. Judas, Kain, Barrabas oder Satan.

(2) Die zweite Gruppe umfasst Eigennamen, die metaphorisch okkasionell sind, also in unterschiedlichen Kontexten auftreten und der Metapher Eigenschaften zugrunde legen, über die gewisse Einigkeit herrscht, die insofern konventionell sind, die aber nicht in jedem Kontext fest mit dem Eigennamen verbunden sind; hier könnten Namen angeführt werden wie Mutter Teresa oder Paganini. Auch Ortsnamen wie Vietnam oder Afghanistan sind wohl hier dazu zurechnen, deren metaphorische Eigenschaften sich auch wieder ändern können.

(3) Die dritte Gruppe sind ad hoc metaphorisch verwendete Eigennamen (s. oben Beispiele (10) und (11)), bei denen die zugrunde liegenden Eigenschaften nicht konventionell sind – oft auch erst im Kontext interpretierbar werden.

 

2.3 Eigennamen und ihre Konnotationen

 

Neben ihrer Identifikationsfunktion und dem durch die Verwendung eines Eigennamens aktivierten Wissen lassen sich bei Eigennamen auch bestimmte Konnotationen feststellen, die mehr oder weniger stereotyp mit einem Eigennamen verbunden sind. Diese Konnotationen sind vielfältiger Art; der Begriff der Konnotation wird hier relativ weit gefasst. Für den fremdkulturellen und -sprachlichen Benutzer sind diese vermutlich der problematischste, weil am wenigsten zugängliche Teil.

 

2.3.1 Klassifikatorische Konnotation

 

Die klassifikatorischen Konnotationen bezeichnen diejenigen Eigenschaften eines Namens, die der Klassifikation, der Bestimmung der Gattung oder Art der mit dem Eigennamen bezeichneten Referenzobjekte zukommen. Bei Lötscher (1995: 452f.) gelten diese als „sortale Restriktionen“ und Sandig (1995: 540) spricht von einem Merkmal M1 für die Gegenstandsklasse und schreibt es der Bedeutung des Namens zu (– neben M2 für ‚ein bestimmtes Individuum‘). Es handelt sich hier aber meiner Ansicht nach insofern um eine ‚Konnotation‘, als diese Eigenschaften nicht zur Bedeutung eines Namens gehören:[12] die klassifikatorischen Konnotationen sind zwar relativ fest mit einem Namen verbunden (und jeder Name enthält eine klassifikatorische Konnotation) – aber dennoch nicht in der Weise, wie andere lexikalische Einheiten eine fest mit ihnen verbundene inhaltliche Bedeutung tragen; sie dienen auch nicht zur Identifikation und Individuierung.

 

Klassifikatorische Konnotationen lassen also auf die Gattung oder Art des mit dem Namen bezeichneten Individuums schließen: also Namen, die implizieren, dass etwas ein Ortsname, ein Produktname, ein Personenname etc. ist; Sandig (1995: 540) spricht hier von einem allgemeinen Namenwissen. Hinweise dafür sind z.B. Elemente, die auf entsprechende Appellative zurückgeführt werden können; also etwa Namen mit -burg, -dorf, -stadt, -heim als Hinweis auf Siedlungs- bzw. Ortsnamen oder die Endungen -ingen, -ing, -itz, die regional differenziert darauf hinweisen, dass es sich um einen Ortsnamen handelt. Bei den Personennamen tritt zu der klassifikatorischen Konnotation, dass es sich um Personennamen handelt, auch die allerdings nicht immer trennscharfe Unterscheidung zwischen Familiennamen und Vornamen hinzu: so ist Meier, Fischer, Neumann oder Krause ein Familienname, Maximilian, Christian oder Eva dagegen ein Vorname. Aber auch hier gibt es zweideutige Fälle – z.B. die Familiennamen Anton, Otto, Wolf oder Werner. Bei den Vornamen kommt als klassifikatorische Konnotation noch hinzu, dass das Geschlecht der Person (im Allgemeinen) aus dem Namen selbst erschlossen werden kann (dies ist auch eine Forderung des deutschen Namenrechtes[13]). So gelten etwa Namen, die auf -a oder -e enden, als Namen für weibliche Personen (z.B. Eva, Anne/a, Brigitte/a, Margarete/a, Simone/a etc.; -a, -ina, -e und -ine sind auch die meistgebrauchten Endungen, um männliche Vornamen zu weiblichen zu machen: vgl. ErnstErnestine, AlbertAlberta / Albertina, WilhelmWilhelmine, JosefJosefa); Namen auf –o gelten als Namen für männliche Personen (vgl. Otto, Ingo, Roberto); aber: zum einen gibt es – vor allem bedingt durch Namen nicht-deutscher Herkunft – hier bereits ‚Aufweichungen‘ (z.B. das aus dem Italienischen übernommene Andrea für einen Jungen[14], genauso Luca oder Wanja, auf der anderen Seite der Name Ildiko als Mädchenname), zum anderen gibt es Namen, die nicht eindeutig sind (Helge, Inger, Kai[15]) und es gibt den – nach deutschem Namenrecht einzigen Fall – dass ein weiblicher Vorname (nämlich Maria) für einen Jungen vergeben werden darf, allerdings nur, wenn es sich um einen zweiten Namen handelt. Das Geschlecht einer Person aus dem Familiennamen zu erschließen, ist in der deutschen Standardsprache nicht möglich (vgl. dagegen in manchen Dialekten, z.B. in Bayern, das Suffix -in: die Fischerin / die Huberin / die Schulzin; in anderen Sprachen existieren eigene Suffixe: z.B. tschechisch –ová).

 

Diese Art von Konnotationen beruht aber zu einem großen Teil auf konventionellen Namensgebungsbeschränkungen, sie ist – wie schon erwähnt – nicht immer eindeutig und kann sich auch mit den rechtlichen Bestimmungen ändern. So kann z.B. auch ein Schiff mit einem Vornamen oder einem Ortsnamen benannt werden (die Andrea Doria, die Regensburg[16]) oder eine weibliche Person mit einem Pflanzennamen (Viola, Erika, Anemone Rose); Menzenbach kann den Familiennamen einer Person, einen Ort oder einen Bach bezeichnen. Was die möglichen Veränderungen betrifft, so ist etwa die Vergabe von Ortsnamen an Personen in Deutschland im Allgemeinen nicht erlaubt (so noch Seibicke 1977:13); vgl. aber (aufgrund anderer namensrechtlicher Bestimmungen): Chelsea Clinton, oder Brooklyn, der Sohn von Victoria und David Beckham, Lourdes, die Tochter von Madonna, Cheyenne, die Tochter von Marlon Brando. Aufgrund der in Fußnote 14) zitierten Bestimmung müssen diese Namen nun auch in Deutschland erlaubt werden – Seibicke (2002) spricht hier von einem rechtsfreien Raum und einer beträchtlichen Rechtsunsicherheit (vgl. „Cheyenne ja, Berlin nein“).

 

Allein diese Art der klassifikatorischen Konnotation kann für fremdsprachliche Benutzer problematisch sein (wenn das mit dem Eigennamen bezeichnete Referenzobjekt nicht direkt der Anschauung zugänglich ist, also z.B. in Texten): es müssen beim Auftreten eines (nicht bekannten) Eigennamens – neben der Erkenntnis, dass es sich überhaupt um einen Eigennamen handelt – zunächst die generellen klassifikatorischen Konnotationen erkannt werden (wozu natürlich häufig der Kontext Hilfestellungen gibt); gerade bei Personennamen allerdings ist z.B. das Erkennen des Geschlechts der im Text bezeichneten Person nicht immer durch den Kontext möglich. Aus eigener Erfahrung kennen deutsche Sprecher dieses Problem zum Beispiel im Zusammenhang mit den Vornamen der Migranten, insbesondere der türkischen Migranten, bei denen allenfalls noch die Unterscheidung in Vorname und Familienname möglich ist, aber häufig das Wissen nicht da ist, zu beurteilen, ob es sich um einen männlichen oder einen weiblichen Träger handelt. Diese Art von Information kann auch in der Regel weder über allgemeine Wörterbücher noch über Lexika erworben werden.

 

2.3.2 Spezifische Konnotationen

 

Bei den folgenden Konnotationen handelt es sich um weniger feste Verbindungen als den eben erwähnten. Die meisten Konnotationen beziehen sich auf Personennamen, die im Folgenden deshalb auch im Vordergrund stehen: Zu Personen und ihren Namen bilden sich natürlich wesentlich mehr und andere Konnotationen als zu anderen Typen von Namen.

 

Als typische Konnotationen sind die nun folgenden auch in stärkerem Maße sprecher- bzw. sprechergruppenabhängig. Aus sozio- und psychoonomastischen Untersuchungen (das sind Analysen, die die Namengebung und –verwendung im Rahmen der Gesellschaft untersuchen bzw. das Namenimage und die Nameneinschätzung[17]) lässt sich jedoch ableiten, dass bestimmte Konnotationen relativ regelhaft von den meisten Sprechern einer Sprachgemeinschaft geteilt werden – und diese Art von implizierten Konnotationen ist nun wiederum etwas, worauf bei einer bewussten Namenswahl – etwa zu fiktionalen Zwecken – rekurriert wird (s. unten in 2.3.3). Dass einzelne Sprecher bei bestimmten Namen ganz individuelle Konnotationen entwickeln können, die vor allem auf Erlebniswissen bezüglich bestimmter mit Eigennamen bezeichneter Referenzobjekte zurückzuführen sind, steht natürlich außer Frage. Dennoch: die im Folgenden angeführten Konnotationen sind innerhalb der Sprechergemeinschaft doch insofern geteilte Konnotationen, als sich dies unter anderem auch sprachlich daran zeigt, dass man auf einen Bruch der Erwartung mit Äußerungen reagieren kann, die ein widerspruchs­anzeigendes aber enthalten; damit wird also der Widerspruch zwischen dem konkreten Fall und der erwartbaren, konventionellen Konnotation angezeigt; vgl. etwa (12)-(16):

 

(12)     Er heißt Alois Hundhammer, aber er kommt nicht aus Bayern. [geographische Konnotation]

 

(13)     Sie heißt Meike Friedrichsen , ist aber gebürtige Münchnerin.

 

(14)     Sie heißt Johanna Bayerhuber, ist aber eigentlich Polin.[18]

 

(15)     Sie heißt Franka Potente, ist aber Deutsche.

 

(16)     Er heißt Wilhelm, ist aber erst 30. [Konnotation des Alters]

 

Die in (12) mit dem Namen Alois wie auch mit dem Namen Hundhammer verbundene Konnotation der regionalen Herkunft ist soweit erwartbar, dass sie mit einer Formulierung wie oben durchkreuzt werden kann. Bei Widerspruch zu individuellem Erlebniswissen dagegen, zu einer individuellen Konnotation wie etwa „‘Alois‘ ist unsympathisch“ ist eine ähnliche Äußerung nicht ohne weiteres möglich (vgl. (17); – allenfalls dann, wenn der Hörer dieses Wissen teilt).

 

(17) ?? Er heißt Alois Hundhammer, ist aber sympathisch.

 

2.3.2.1 Geographische Konnotationen

 

Namen können auch mehr oder weniger feste, stereotyp verbundene Konnotationen hinsichtlich der geographischen oder regionalen Herkunft aufweisen: Ortsnamen können z.B. allein aufgrund ihrer phonetischen Gestalt eine Konnotation wie ‚liegt im Land x‘ oder ‚liegt in Deutschland‘ auslösen; bestimmte Formen von Ortsnamen weisen darüber hinaus auf eine bestimmte Region hin. So deuten z.B. Ortsnamen auf –ingen auf den schwäbisch-alemannischen Bereich (vgl. Villingen, Schwenningen, Göppingen Eßlingen Reutlingen), Ortsnamen auf -ing weisen dagegen auf den bairischen Raum (vgl. Freising, Straubing, Tutzing, Germering, Olching); der Bestandteil -leben weist nach Thüringen (vgl. Eisleben, Aschersleben) und -ow als slavischer Namensbestandteil deutet auf den Raum Mecklenburg-Vorpommern (z.B. Güstrow, Bützow, Teterow, Grabow).

 

Bei Personennamen legen bestimmte Formen (wie auch bestimmte Schreibweisen) eine nicht-deutschsprachige Herkunft nahe, etwa Vornamen wie Ferhat, Christos, Karim, Lasme oder Zuzana oder Familiennamen wie Öztürk, Francucci oder Zafiropoulis;[19] andere Personennamen lassen auf eine bestimmte regionale Herkunft schließen: so deuten etwa die Vornamen Huldrich, Urs, Reto, Orell oder Pirmin auf Schweizer Herkunft, genauso wie bestimmte Familiennamen (Zickerli, Zwingli). Innerhalb des bundesdeutschen Gebietes sind etwa Vornamen wie Alois, Josef, Xaver, Luitpold, Ruprecht, Rosa, Elisabeth als eher süddeutsch/bairisch, Vornamen wie Kai, Karsten/Carsten, Jan, Dirk, Lars, Frauke, Dörte, Maike, Wiebke als norddeutsch konnotiert; genauso werden Familiennamen wie Hundhammer, Niederhuber, Obermayer (übrigens auch Thurmair) als bairisch empfunden, Namen wie Häfele/Hefele oder Bienzle als schwäbisch, Diedrichsen, Kröger oder Hansen dagegen als norddeutsch.

 

Die Konnotationen verbinden sich unterschiedlich fest mit bestimmten Namen und können sich natürlich auch wandeln; so weist schon Seibicke (1977: 175ff.) darauf hin, dass sich die „Namenlandschaften“ mehr und mehr auflösen und zeigt dies etwa am Falle des Namens Florian, der als ein katholischer Name ursprünglich rein bairisch konnotiert war (bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts etwa zusätzlich auch als „bäuerlich“), dann aber nach Norden ‚gewandert‘ ist. Dennoch zeigen Tests (s. etwa Hartmann 1984/1993), dass es doch weit geteilte generelle Übereinstimmungen gibt – besonders evident natürlich, wenn ein Vorname und ein Familienname mit der gleichen Konnotation kombiniert werden (s. auch oben die Beispielsätze (12)/(13)) –, die auch im Falle fiktionaler Namen genützt werden. So charakterisiert Thomas Mann seine Lübecker Familie mit dem norddeutsch-hanseatisch konnotierten Buddenbrook, während der bairische Schwiegersohn den stark regional konnotierten Familiennamen Permaneder trägt.

 

Eine andere regionale Konnotation lässt sich mit einer bestimmten Art von Vornamengebung verbinden: Träger fremdländisch klingender Namen wie Mandy, Peggy, Marco, Sandro, Ronny oder Maik (in dieser Schreibweise) deuten besonders häufig auf eine Herkunft aus dem Osten, also der ehemaligen DDR hin dies lässt sich damit begründen, dass die Vornamenmoden der DDR andere waren als in der BRD (vgl. Seibicke 1977: 162), eine Tendenz, die sich auch nach der Vereinigung fortgesetzt hat (s. die Namenlisten in GfdS 2002).

 

Was in diesem Zusammenhang den Zweit- und Fremdsprachsprecher betrifft, so kann man vielleicht davon ausgehen, dass das Erkennen dieser Art von Konnotationen sowie auch das Erkennen von Namen, die in dieser Hinsicht neutral sind, zu einer vollständigen Sprachkompetenz dazugehört.

 

2.3.2.2 Religiöse Konnotationen

 

Viele Namen lassen natürlich auch Konnotationen hinsichtlich der Religion zu: Namen wie Ali, Mohamed, Fatima verweisen auf muslimische Religionszugehörigkeit; Namen wie Aron, Moses, Esther können auf jüdische Religionszugehörigkeit[20] deuten. Bestimmte Namen, insbesondere die Heiligennamen, wiesen vor allem in früheren Zeiten eher auf eine katholische Herkunft hin (Maria, Joseph, bestimmte Patronatsheilige wie Ursula im Raum Köln), während andere Namen eher evangelisch konnotiert waren (etwa: Neubildungen wie Gottlieb, Herrschernamen oder zu einer bestimmten Zeit auch Martin; vgl. Seibicke 1977: 50). Das liegt daran, dass die früher stärker bestimmende hagiologische Namengebung (d.h. Benennung nach einem Heiligen) nach der Reformation von den Protestanten nicht mehr mitgetragen wurde, weshalb lange Zeit Heiligennamen sehr stark auch die Konnotation einer katholischen Religionszugehörigkeit hatten (s. dazu auch Seibicke 1996). Vor allem die Konnotationen, die auf jüdische oder christliche, katholische oder evangelische, Religion deuten, sind heutzutage aufgrund anderer Namengebungsmotive weitgehend verwischt:[21] die Namen des Alten Testaments wie Sarah, Anna, Miriam, Rebekka, David, Daniel, Elias sind heute generell in der Beliebtheit sehr gestiegen – vermutlich vor allem aus euphonischen Gründen. Damit ist die ursprüngliche religiöse Konnotation weitgehend verschwunden.[22]

 

2.3.2.3 Konnotationen des Alters

 

Da es – wie schon erwähnt – bei der Vornamengebung Namenmoden gibt, lassen sich bei bestimmten Vornamen klare Konnotationen hinsichtlich des Alters feststellen: Eine Ida, Berta, Philomena, Lina, Adelheid, einen Otto oder Wilhelm, Konrad, Ludwig stellt man sich alt bzw. älter vor, eine Petra, Sabine, Claudia, Susanne ist wahrscheinlich um die 40 und ein Kevin vermutlich unter 15 Jahren. Selbstverständlich spiegeln diese Konnotationen die verschiedenen Namenmoden wider: wenn ein bestimmter Name in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts modern war, besteht eine starke Vermutung, dass Namensträger dieses Namens derzeit um die 40 Jahre sind.

 

2.3.2.4 Soziologische Konnotationen

 

Namen können auch soziologische Konnotationen auslösen: d.h. also, dass bestimmte Namen eine bestimmte Schichtzugehörigkeit vermuten lassen[23]: so gibt es oder gab es z.B. typische ‚Dienstmädchennamen‘ wie Emma, Lina, Fanny aber auch Anna, Namen die typisch bäuerlich konnotiert sind oder waren (im bairischen Raum etwa Alois, Josef/Sepp, Ignaz, Kaspar, Resi (Teresa), Kreszentia/Kreszenz etc.)[24]; es gibt Namen, die einen „bürgerlichen Klang“ haben[25], und Namen mit Adelsprädikaten konnotieren natürlich besonders deutlich eine bestimmte Schichtzugehörigkeit. Schließlich kann auch die Kombination von Namen soziologische Aufschlüsse geben: das betrifft einmal die Kombination von fremdländischen Vornamen mit besonders bodenständigen Familiennamen (wie Jacqueline Hinterhuber, Vanessa Kandlbinder, Dennis Huber, René Vorderdobler), was häufig auf Angehörige der einfacheren Schichten hindeutet.[26] Auch Doppelnamen als Familiennamen bergen Konnotationen: je nach Form und Träger oder Trägerin deuten sie auf emanzipatorisch ‚bewusste‘ Frauen (Sabine Rittberger-Grundmann) oder auf besonders tolerante Männer (Achim Buderus-Hofauer) hin (vgl. Sandig 1995: 544).

 

Schließlich ist es für den fremdsprachlichen Sprachverwender natürlich auch relevant, zu erkennen, dass es sich um einen Allerweltsnamen handelt (Voraussetzung dafür wäre etwa die Kenntnis der häufigsten Familiennamen) oder zu erkennen, dass ein Name eine ‚Null‘-Konnotation trägt – also keinerlei Konnotationen evoziert.

 

2.3.2.5 Politische und ideologische Konnotationen

 

Während die bisher beschriebenen Konnotationen etwas über den Namenträger aussagten, sind die politischen und ideologischen Konnotationen in der Regel eher Konnotationen hinsichtlich des Namengebers oder des Namenverwenders.

 

Politische Implikationen (und verbunden damit immer auch zeitliche Konnotationen) trugen Personennamen immer wieder: Seibicke (1977: 123) führt historisch Blücherine, Landsturmine und Sedanie (nach der Schlacht bei Sedan) aus dem 19. Jhdt. an, charakteristisch sind auch germanisch-deutsche Vornamen und analoge Neubildungen während der NS-Zeit (z.B. Gunhilde, Horst - Horsta).

 

Bei Ortsnamen sind grundsätzlich die Verhältnisse andere: Während Personennamen, genauer: Vornamen, in einem Taufakt ‚verliehen‘ werden und damit zumindest bei den Vornamen die Wahl besteht und somit aufgrund dieser Wahlmöglichkeit bestimmte Implikationen oder Konnotationen entstehen können (wie sie im Vorangegangenen geschildert wurden), ist dies etwa bei Ortsnamen im Allgemeinen nicht der Fall: Konnotationen sind bei Ortsnamen deshalb sehr viel seltener – sie treten vor allem dann auf, wenn mehrere Formen für ein und dasselbe Referenzobjekt exitistieren.

 

Das kann der Fall sein, wenn Orte (auch Straßen / Plätze etc.) aus politischen Motiven umbenannt werden: z.B. Chemnitz und Karl-Marx-Stadt, Petersburg und Leningrad; hier hat der zweite Name eine politisch-ideologische Konnotation; gleichzeitig lässt seine Verwendung Rückschlüsse auf die Zeit zu, auf den Ort und – je nach Kontext – auch auf den Sprachbenutzer.

 

Zwei Formen von Ortsnamen treten auch auf, wenn Ortsnamen in mehreren Sprachen existieren; die Wahl eines Namens kann dann verschiedene Konnotationen auslösen – in diesem Fall aber im Wesentlichen über den Namenverwender; mehr dazu im Folgenden.

 

2.3.2.6 Konnotationen bei Namenswahlmöglichkeit

 

Wahlmöglichkeit im Gebrauch von Eigennamen kann aus verschiedenen Gründen bestehen: einmal kann – das gilt wohl vor allem für Ortsnamen – ein Name in mehreren Sprachen existieren, oder es gibt verschiedene Formen eines Namens, was wohl vor allem für Personennamen gilt.

 

(1) Die Verwendung des Ortsnamens in der eigenen Sprache bzw. der Muttersprache kann ein wesentliches Idententitäts-Merkmal sein bzw. identitätsstiftende Funktion haben: Nicht umsonst entzünden sich Probleme von Minderheiten häufig (auch) an der Frage von Ortsnamen (man vgl. z.B. den gerade wieder aktuellen Streit in Kärnten/Österreich um das Aufstellen von zweisprachigen (slowenisch – deutschen) Ortsnamenschilder). Und es ist sicher kein Zufall, dass bei einem von oben, d.h. auch repressiv, verordneten Zwang zur Assimilation einer Minderheit die Namen – Ortsnamen wie Personennamen – der Mehrheitssprache angepasst werden, wie dies z.B. in Südtirol zur Zeit des Faschismus per Verordnung der Fall war, wonach seit 1923 alle deutschen Ortsnamen (inklusive Straßen- und Wegebezeichnungen) und ab 1926 alle Familiennamen italianisiert werden mussten (s. Eichinger 1996: 222f.).

(2) Eine bestimmte Form kann auch aus Prestigegründen gewählt werden: der Deutsche, der nicht Mailand verwendet, sondern Milano, für London nicht [lɔndɔn] sagt, sondern [landən], nicht [pari:s] sondern [pari:] will durch die fremde Form eine prestigereichere Sprache demonstrieren.

Ähnliches gilt im Bereich der Personennamen, vor allem der Vornamen, für die Schreibung: auch hier gibt es prestigereichere Formen (z.B. die Verwendung von <c> statt <k> wie in Carl, Claus oder <y> statt <i> wie in Sylke, Myriam, Sylvia).

(3) Die Verwendung einer bestimmten Form eines Namens (vor allem Ortsnamens) kann historische oder politische Implikationen enthalten: dies betrifft etwa Städtenamen in Mittel- und Osteuropa, für die aus den unterschiedlichsten historischen Gründen auch deutsche Namen existieren: wie etwa Preßburg und Bratislava, Poznán und Posen, Lwiw und Lemberg etc. Hier herrscht für den deutschen Namenverwender ein gewisses Maß an Unsicherheit; dazu Werner (1995: 483): „im deutschen Gespräch mit einem Polen muss man überlegen, ob man Poznán sagt, um keinen politischen Argwohn zu erregen, oder doch Posen, weil dies die traditionelle deutsche Namenform ist und weil sich das politische Klima entspannt hat (?)“. Grundsätzlich scheint es so zu sein, dass speziell deutsche Muttersprachler eher die nicht-deutsche Variante wählen, um auf jeden Fall ‚politisch korrekt‘ zu handeln – auch um den Preis der Verständlichkeit.

(4) Ein weiteres Problem tritt bei Namen auf, für die nicht unbedingt eine muttersprachliche Variante existiert, die aber z.B. aus Unkenntnis von Sprachbenutzern dem eigensprachlichen System angepasst werden. Dieses Problem stellt sich z.B. bei französischen Orts- und Personennamen. Werner (1995: 483) meint dazu: „Soll ich den Hugenotten-Namen Mengin als frz. [mã’Ʒɛ], als dt. [‘mɛŋIn] oder, wie in Erlangen üblich, als [‘ma:ʃi] aussprechen? Wie immer man sich entscheidet, es kann als ‚affektiert‘, als ‚uninformiert‘ oder als ‚anbiedernd‘ ... bewertet werden.“ Hier kommt dann noch das Problem der Verständlichkeit hinzu: wenn es ortsübliche Ausspracheformen gibt – gerade auch für Orte und Straßennamen (die Destouches-Straße heißt in München eben [dɛstuχəs] – dann kann die ausgangssprachenadäquate Form das Verständnis erheblich behindern.

Auch aus der Sicht desjenigen, der einen fremden Namen trägt, ist dies ein Problem: wie geht man mit der auf verschiedene Ursachen zurückführbaren Falschaussprache des eigenen Namens durch anderssprachige Sprecher um? (S. dazu auch Luchtenberg 2000: 345.)

(5) Die Verwendung einer bestimmten Form eines Namens kann die Beziehung des Sprachbenutzers zum Referenzobjekt ausdrücken: dies gilt etwa insbesondere für Spitz- oder Kosenamen im Fall von Personennamen, kann aber auch für Ortsnamen gelten, wenn es z.B. eine spezifisch lokale (oft dialektale) Variante und eine standardsprachliche gilt. Je nach gewähltem Namen impliziert der Sprachbenutzer dann Vertrautheit oder Distanz (s. dazu auch Kany 1995).

 

2.3.3 Die Nutzung von Konnotationen

 

Die verschiedenen Konnotationen von Namen, wie sie im Vorangegangenen beschrieben wurden, werden in vielen unterschiedlichen Textsorten genutzt; insbesondere sind hier alle fiktionalen Ausdrucksformen zu nennen: Literatur, aber auch Film, Kabarett u.ä. Für die literarischen Namen hat etwa Birus (1987: 45f.) eine Typologie aufgestellt, die im Wesentlichen vier Gruppen enthält:

1. Verkörperte Namen: das sind Namen, für die es bereits reale oder fiktionale Träger gibt wie Salome, Kublah Khan, Faust, Macbeth.

2. Klassifizierende Namen: das sind Namen, die genau die im Vorangegangenen (in 2.3) beschriebenen Konnotationen aufweisen, die entweder durch den allgemeinen Sprachgebrauch oder durch feste literarische Konventionen bedingt sind (also etwa: christliche vs. muslimische Namen, Adel- vs. Domestikennamen, einheimische vs. ausländische Namen).

3. Klangsymbolische Namen: das sind Namen, deren Semantisierung vornehmlich auf ihren ikonischen Qualitäten beruht: etwa Madame Hoppelpoppel oder Gripsgraps.

4. Redende Namen: das sind Namen, deren Semantisierung auf Assoziationen mit Elementen des allgemeinen Wortschatzes beruhen – primär (wie Wehmeier, Lustig, Kuckuck, Pepperkorn) oder sekundär (z.B. Trueman).[27]

 

In diesem Zusammenhang ist es für den fremdkulturellen Sprachverwender zum einen relevant, zu erkennen, ob mit einem bewusst gewählten Namen eine bestimmte Semantisierung verbunden ist und insbesondere – dies scheint mir das schwierigste zu sein – , ob eine bestimmte (wie oben unter 2.3.2 beschriebene) Konnotation ausgelöst wird (und wenn ja, welche) oder ob verwendete Namen in dieser Hinsicht neutral sind. Dies ist vor allem bei der Rezeption fiktionaler Werke wichtig.

 

Zum anderen ist – quer zu der beschriebenen Klassifikation von Konnotationen und von Namentypen – meines Erachtens auch relevant, insbesondere das komische Potential von Namen zu erkennen – eine für den fremdkulturellen Sprachbenutzer allerdings äußerst schwierige Aufgabe, die höchste Sprachkompetenz und ein Sprachgefühl voraussetzt und die durch andere Hilfsmittel wie Wörterbücher o.ä. nicht zu lösen ist.

 

Komisches Potential kann z.B. liegen in der Verwendung sprechender und in dieser Hinsicht ‚merkwürdiger‘ Namen; es gibt auch Namen, die gelten an sich als komisch, wie etwa: Fridolin oder August. Komisches Potential kann auch liegen in der Struktur eines gewählten Namens: z.B. formal auffällige, oft auch schwer auszusprechende Doppelnamen wie Matusche-Labitzki, Leutheusser-Schnarrenberger, Kamphausen-Seliger. Das Phänomen des Doppelnamens an sich wird gerade in satirischen Texten häufig genutzt, entweder, um sich über ‚emanzipierte‘ Frauen lustig zu machen oder um einen bestimmten Männertyp zu karikieren. Komisches Potential liegt auch in der auffälligen Kombination bestimmter Namen: z.B. ausländischer und einheimischer wie in Mai Grundwürmer (geborene Ling), eine bekannte Figur des Kabarettisten Gerhard Polt; oder in Doppelnamen, die fremde und einheimische Namen kombinieren wie Watanabe-Ranftlmayer, Pfannenstiel-el Wadi; oder in einer sonstigen, nicht passenden Verbindung von Vor- und Familiennamen wie in Rebekka Kandlbinder, Yvette Hinterdobler, Brünhilde Huber (Seibicke (1977: 42) spricht hier von einem Stilbruch und führt Beispiele an wie Olympia Meier oder Cäsar Bäuchle). Alle diese Formen werden in komischen Textsorten (Kabarett, Satire etc.) besonders häufig genutzt.

 

 

3 Zusammenfassung

 

Der vorliegende Beitrag sollte zeigen, welche Wissensbestandteile mit dem Gebrauch von Eigennamen verbunden sind und welche Probleme und Schwierigkeiten sich dabei insbesondere für den fremdsprachlichen und fremdkulturellen Benutzer ergeben. Dabei sind die besonders sensiblen Bereiche (Eigennamen als Wissensträger, Eigennamen und ihre Konnotationen) deutlich geworden und damit auch die Relevanz dieses Themas für einen fortgeschrittenen Sprachunterricht. Es ist aber auch deutlich geworden, dass sich das Thema ‚Eigennamen‘ in hervorragender Weise zur Beschäftigung mit der Kultur einer Sprachgemeinschaft eignet.

 

 

Literatur

 

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Eingesandt: 2002.11.27

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[1]      Gestreift wird diese Thematik zum Teil auch in Untersuchungen zu Namen in Sprachkontakt-Situationen (vgl. exemplarisch dazu etwa Földes 1995 für Ungarn, Eichinger 1996 für Südtirol).

[2]      Pragmatische Aspekte der Namenverwendung, die ja besonders bei Personennamen von Interesse sind (wer spricht wen wann mit welchem Namen an?), müssen hier ausgeklammert bleiben (vgl. dazu Schwitalla 1995, Hoffmann 1999, Luchtenberg 2000).

[3]      Hierin kann man einmal mehr den formalen Sonderstatus der Eigennamen  sehen: vgl. der Bachdie Bäche; aber: (Johann) Bach à die Bachs (= Mitglieder der Familie Bach); das Dorfdie Dörfer; aber: Oberdorf à es gibt mehrere Oberdorfs; der Eiermanndie Eiermänner; aber: die Eiermanns (als Familie). (Vgl. zu diesem Pluralmorphem –s und zur Diskussion seines Status‘ auch Kolde 1995 und die dort angegebene Literatur).

[4]      Interessanterweise können Abkürzungen dies auch verwischen; vgl. die Bayrischen Motorenwerke (wegen -werke) aber: Ich arbeite bei __ BMW. Abkürzungen von Eigennamen können hier nicht behandelt werden – sie weisen gegenüber den Vollformen noch eine große Reihe weiterer Spezifika auf.

[5]      Allerdings sind die Majuskeln im Deutschen aufgrund der Groß-/Kleinschreibung kein so deutliches Signal für Eigennamenstatus wie in anderen Sprachen.

[6]      Ganz ohne jeden Einfluss ist allerdings der Name auch wieder nicht: vgl. dazu Untersuchungen, wie sie etwa Gniech (1991/1993) referiert und selbst angestellt hat, die Argumente für eine Suggestivwirkung des Namens bei der Berufswahl liefern (von einer bestimmten Menge von Bäckern hießen mehr ‚Becker‘ als bei einer vergleichbaren Menge von Metzgern) oder Argumente dafür, dass der Anfangsbuchstabe des Namens Einfluss auf den Status des Trägers hat.

[7]      Ich würde diese Wissenbestandteile nicht Konnotationen nennen, sondern als außersprachliches Wissen über das mit dem Eigennamen bezeichnete Referenzobjekt fassen. Zu Konnotationen siehe im Folgenden.

[8]      Auch wenn man bei kneippen immerhin wissen muss, dass es „einen Pfarrer Kneipp gab, der Kuren mit Wasseranwendungen eingeführt hat“ (Motsch 1995: 528).

[9]      Hier zeigt sich auch, dass es bestimmte formale Restriktionen gibt, was die Ableitung von Eigennamen betrifft: Eigennamen, die auf Vollvokal enden (wie Kafka, Casanova, Twiggy, Cicero, Angela), lassen sich nicht zu Verben ableiten, sondern nur zu Adjektiven.

[10]    Konterdetermination meint den für Metaphern typischen Fall, dass sprachliche Zeichen in einen Zusammenhang gestellt werden, die von ihrer ‚eigentlichen‘ Bedeutung (mit Weinrich (1967/1976: 324) verstanden als „Determinationserwartung“) her unvereinbar sind; in (8) etwa: ‚Paganini‘ und ‚Rockmusik‘.

[11]    Dieser Text setzt sich ironisch mit dem angeführten Typ von Eigennamenmetaphern auseinander und ist deshalb voll davon – überhaupt ist in jüngster Zeit nach meiner Beobachtung diese Struktur häufiger Ziel von Spott und Kritik.

[12]    S. dazu auch die Diskussion dieses Problems bei Lötscher (1995: 452), der die angeführten Inhaltselemente nicht als intensionale Bedeutungs­elemente, sondern ebenfalls als Konnotationen interpretiert.

[13]    Diese lautet, dass im Allgemeinen Jungen nur männliche, Mädchen nur weiblicheVornamen erhalten können. Lässt ein Vorname Zweifel über das Geschlecht aufkommen, dann ist zu verlangen, dass dem Kind ein weiterer, den Zweifel ausschließender Name gegeben wird (vgl. Seibicke 1977: 14).

[14]    Nach Seibicke (1977: 17) war Andrea zu dieser Zeit als Jungenname nicht erlaubt – außer für ein Kind italienischer Eltern; inzwischen gilt diese Bestimmung aber nicht mehr (s. Seibicke 2002); hier kollidieren zwei Bestimmungen des deutschen Namenrechtes: nämlich a) „als Vornamen dürfen/sollen nur Vornamen eingetragen werden und aus den Vornamen soll das Geschlecht erkennbar sein (s. Fußnote 13) und b) „Namen, die irgendwo auf der Welt als Vornamen gebraucht werden, dürfen auch im Deutschen als Vornamen eingetragen werden“ (Seibicke 2002).

[15]    Das Problematische an diesen Namen ist, dass sie in der Herkunftssprache ein anderes Geschlecht bezeichnen, als sie es im Deutschen nach ihrer Form implizieren: Helge ist ein schwedischer Jungenname, stimmt aber formal mit deutschen Mädchennamen überein (e-Endung!); Inger als skandinavischer Mädchenname endet auf eine im deutschen System maskuline Endung (vgl. Holger, Dieter, Werner). (Vgl. dazu Seibicke 1977: 15ff.)

[16]    Allerdings dient in diesen Fällen der bestimmte Artikel die als Unterscheidungszeichen.

[17]    Vgl. dazu z.B. Debus 1968/1989, Debus et al. 1973/1993, Debus 1996, Hartmann 1984/1993 oder Frank 1980/1993.

[18]    Birus (1987: 47) weist auf den Roman „Levins Mühle“ von J. Bobrowski hin, dessen Figuren „Kaminski“, „Tomaschewski“, „Kossakowski“ gegenüber „Lebrecht“ oder „Germann“ heißen und dessen Witz im Sinne einer „gezielten Erwartungsenttäuschung“ genau darin besteht, dass die polnisch konnotierten Namen von den Deutschen getragen werden und umgekehrt.

[19]    Dies muss man allerdings relativ differenziert betrachten – nicht jeder ausländische Name birgt diese Konnotation: so ist es bei den Vornamen aufgrund bestimmter Vorlieben und Namenmoden so, dass manche diese Konnotation nicht mehr tragen – das sind z.B. französische Mädchennnamen wie Jacqueline, Yvonne, Michelle (s. dazu auch Seibicke 1996) –, andere fremde Namen dagegen enthalten diese Konnotation noch. Bei den Familiennamen muss man diejenigen aussondern, die aufgrund von Migrationen ihre ‚fremde‘ Konnotation verloren haben: so z.B. die polnischen Namen im Ruhrgebiet (wie etwa Schimanski etc.). Bei den Namen der Migranten des 20. Jahrhunderts, vor allem den türkischen, wird sich vermutlich auf lange Sicht ebenfalls ein konnotativer Wandel vollziehen. Grundsätzlich ist auch die Kombination Vorname + Familiename aufschlussreich: sind beide ‚fremd‘ konnotiert, dann ist dies ein stärkeres Indiz für nicht-deutschsprachige Abstammung.

[20]    Die jüdischen Namenskonnotationen und die antisemitischen Handlungen, die sich an Namensgebungen und Namensverweigerungen festmachen lassen, müssen gesondert behandelt werden; vgl. hierzu Bering (1989/1993). Aus heutiger Sicht kann man vielleicht feststellen, dass sich Konnotationen ganz radikal wandeln können: So ist der ehemalige Zwangs-Name Sara, der ab 1939 per Gesetz den jüdischen Mädchen (auch) gegeben werden musste, heute ein in dieser Hinsicht konnotationsfreier und beliebter Mädchenname: Sara(h) befindet sich mindestens seit 1995 jedes Jahr unter den 10 beliebtesten Mädchennamen in Deutschland (vgl. GfdS 2002). Genauso ist etwa der Vorname Moritz, der von vielen Juden anstelle des zunächst stärker stigmatisierten und lautlich ähnlichen Namens „Moses“ angenommen wurde und dann vielfach Ziel antisemitischen Spotts war (s. Bering 1989/1993: 146), heute ein beliebter Jungenname, dessen Konnotation höchstens noch Angehörigen der älteren Generation bekannt ist.

[21]    Seibicke (1996) weist darauf hin, dass zunehmend aufgrund religiöser Motiviertheit auch neue Vornamen aus dem Islam, dem Lamaismus, dem Buddhismus oder dem Hinduismus  gewählt werden (z.B. Aisha, Shiva, Krishna); allerdings machen diese Fälle noch einen verschwindend geringen Teil aus.

[22]    Allerdings war diese Konnotation immer schon uneindeutig, da die gemeinsame Namenwelt von Juden und Christen deutlich macht, dass „das ‚Abendland‘ nichts anderes war als ein kaum trennbares Amalgam aus Judentum, Antike, Christentum und Ingredienzien der alteuropäischen Völker“ (Bering 1989/1993: 150).

[23]    Untersuchungen zur Schichtspezifik in der Namengebung finden sich etwa bei Seibicke (1977: Kap. 7.1, insbes. S. 172ff.), Debus 1968/1989, Debus et al. 1973/1993 oder Debus 1996.

[24]    Nach eigenen Beobachtungen hießen vor etwa 10 – 20 Jahren die Kinder besonders in den ländlichen Gebieten dann auch gerne Nicole, Jacqueline (manchmal auch ausgesprochen als [ʃakvɛli:nə]), Yvonne (manchmal als [i:vɔnə]), Vanessa, Dennis, Kevin und Patrick. Heute scheinen die Unterschiede zwischen Land und Stadt weitgehend verschwunden zu sein.

[25]    Aus einem Interview mit dem Komiker Victor von Bülow, alias Loriot, der beschreibt, wie mühevoll für  ihn die Suche nach den richtigen Namen ist, die ganz „normal“ sein sollen und die einen „soliden bürgerlichen Klang“ haben und „für die Glaubwürdigkeit der Geschichte“ sorgen (SZ-Magazin, Nr. 25, 21.6.2002, S. 6).

[26]    Das könnte darauf zurückzuführen sein, dass der Wunsch nach einem (vermeintlich) prestigereichen ausländischen Vornamen gerade in diesen Schichten sich auch dann durchsetzt, wenn er nicht zum Familiennamen passt.

[27]    Kalverkämper (1994: 213) weist darauf hin, dass diese auch oft in kreativer Kinderliteratur auftreten (z.B. Herr Quälgeist und Frau Quaak).