Die Bewertung von Anglizismen im
gesprochenen Deutsch
Index
2 Anglizismen in der gesprochenen
Sprache
3 Zur Lexikalisierung
und Bewertung der Anglizismen
4 Zur Übersetzung der
untersuchten Anglizismen
Wenn man
überlegt, welche linguistischen Themen die Öffentlichkeit in der letzten Zeit
am meisten erregt haben, sind vor allem die Rechtschreibreform und der Verfall
der deutschen Sprache zu nennen, worauf auch der Verein Deutsche Sprache
regelmäßig aufmerksam macht. Hierzu trägt meiner Meinung auch die übermäßige
Verwendung von Anglizsimen bei. Unter dem Ausdruck Anglizismus versteht man
jegliche Beeinflussung des Deutschen durch die englische Sprache, was sich
schon seit 1945 beobachten lässt, als die Deutschen mit Lexemen wie Boogie-Woogie,
ihren American Way of Life erfuhren.
Anglizismen[1] treten im Zeitalter der Globalisierung und der Moderne verstärkter auf als
es noch vor 50 Jahren der Fall war. Ihr Ziel ist es, Fachwissen, Modernität,
Jugendlichkeit und Gruppenidentität zu signalisieren. Das gilt vor allem für
viele Innovationen, die ihren Ursprung in den USA haben und gleich ihren Namen
mitbringen, z.B. DVD (digital versatile disk), E-Mail, etc., und
für die es im Deutschen keine Äquivalente bzw. nur wenig sprachökonomische
Äquivalente gibt, d.h. auch hier folgt man dem Trend der sprachlichen Ökonomie,
der sich in jüngster Zeit in der deutschen Gegenwartssprache u.a. mittels
Kurzwörter beobachten lässt. Wenn man jedoch von diesem Bereich der
Informations- und Computertechnik absieht, der auf Grund seiner geschichtlichen
Entwicklung mit Anglizsimen belastet ist, stellt sich die Frage, inwieweit die
Verwendung von Anglizismen notwendig bzw. sinnvoll ist. Nicht zu Unrecht ist in
Deutschland oft die Rede von der Überfremdung oder sogar vom Verfall[2] der deutschen Sprache. Zudem haben viele Sprecher die fremden Lexeme in
die eigene Sprache integriert und sehen sie nicht mehr als fremdes Wortgut an.
Um das Auftreten
von Anglizismen darzulegen, habe ich die gesprochene Sprache analysiert, da sie
hier im Vergleich zur Schriftsprache spontan benutzt werden. Hierzu eignet sich
besonders die Untersuchung von Radio- und Fernsehsendungen und in besonderem
Maße, die dort vorkommenden Interviews, da die Anglizismen dort unwillkürlich
benutzt werden. Werbesendungen, Computersendungen und Sportübertragungen habe
ich bei meiner Untersuchung bewusst ausgeschlossen. Bei der Werbung haben wir
es mit vorgeformten Werbetexten zu tun, so dass hier von Spontaneität keine
Rede sein kann. Des Weiteren wird der Käufer hier mit einer Flut von
Anglizismen „bombardiert”, deren Analyse mir wenig sinnvoll erscheint. Das
Gleiche geschieht bei Sportsendungen, wo der Zuschauer häufig mit Ausdrücken
wie golden goal, penalty, Champions League, usw.
konfrontiert wird. Das Gleiche gilt für Computersendungen, die Anglizismen
verwenden, die oft über die Allgemeinsprache hinausgehen und dem
Durchschnittssprecher ebenso unbekannt bleiben können wie zahlreiche
gräkolateinische Termini in anderen Fachbereichen.
Interessanter
sind in dieser Hinsicht Informationssendungen, Gesprächsrunden, Interviews und
Kindersendungen. Im so genannten „Fernsehdeutsch” wird meines Erachtens eine
gemeinsprachliche Standardsprache benutzt, die der reellen Sprachverwendung
entspricht. In den analysierten Sendungen dienen die Anglizismen der
semantisch-stilistischen Aufwertung, so haben sie im Vergleich zu deutschen
Lexemen oft andere, positivere Konnotationen als die deutschen
Entsprechungen. Hinzu kommt die Ausdruckskraft, d.h. Anglizismen können
eine Rede lebendiger gestalten und somit das Interesse der Rezipienten erregen.
Die bereits erwähnte Sprachökonomie ist ein Merkmal der Gegenwartssprache, d.h.
mit minimalem sprachlichem Aufwand soll eine maximale sprachliche Effektivität
erreicht werden.
Abschließend soll
geprüft werden, inwieweit der Gebrauch der auftretenden Anglizismen sinnvoll
ist, oder ob sie ggf. durch deutsche Lexeme ersetzt werden können.
Zur
abschließenden Bewertung des Anglizismengebrauchs sollten die Probanden
folgende Fragen beantworten:
1)
Angaben zur Person:
Alter:
Geschlecht:
Bildung:
Beruf:
2)
Wie bewerten Sie die
Verwendung der einzelnen Anglizismen, z.B. sinnvoll; überflüssig; genau;
ungenau; einfache, schwierige Aussprache; etc.? Begründen Sie Ihre Meinung!
3)
Ist Ihnen die Bedeutung der
einzelnen Anglizismen bekannt? Ersetzen Sie die englischen Wörter durch
deutsche Entsprechungen!
-
Afterjobparty (Radio Köln, 15.10.03)
-
Blackout (WDR 2, Morgenmagazin, 02.10.03)
-
Canceln (Radio Köln, Treff nach Neun 14.10.03)
-
Cash (DW, Alltagsdeutsch, 02.10.03)
-
Casting Show (ZDF, Johannes B. Kerner, 03.10.03)
-
Easy (KIKA, Logo, 13.10.03)
-
Feedback (Maischberger, ARD, 14.10.03)
-
Flash Mob (WDR 2, Morgenmagazin, 01.10.03)
-
Highlights (SAT 1, Harald Schmidt Show,
02.10.03)
-
Kids[3] (KIKA,
Logo, 02.10.03)
-
Mountainbike (KIKA, Logo, 02.10.03)
-
Outplacement (ARD, Plusminus, 07.10.03)
-
Shop (SAT 1, Harald Schmidt Show,
10.10.03)
-
Weekend (SAT 1, Harald Schmidt Show,
09.10.03)
Von den
analysierten Lexemen sind bereits alle bis auf Flash Mob in der letzten
Ausgabe des Duden Universalwörterbuchs verzeichnet. Anstatt von Afterjobparty
spricht der Duden von Afterworkparty, womit aber das Gleiche gemeint
ist. Somit gehören sie zumindest laut der Duden Wörterbuchredaktion zum
deutschen Wortschatz, was aber nicht heißt, dass sie dort für immer verankert
bleiben. Weitere Ausgaben werden zeigen, inwieweit die o.g. Anglizismen
assimiliert werden und ob sie von der Sprachgemeinschaft noch weiter verwendet
werden. Die Aufnahme der o.g. Lexeme in das Duden Universalwörterbuch
rechtfertigen aber nicht ihren uneingeschränkten Gebrauch wie die folgenden
Umfrageergebnisse zeigen.
Im Folgenden
sollen die Umfrageergebnisse resümiert und analysiert werden. Auf eine
detaillierte Darstellung der Ergebnisse möchte ich an dieser Stelle verzichten:
Die Auswertung
des Fragebogens zeigt, das Sprecher mit hoher Schulbildung und erst ab einem
gewissen Alter die Sprachentwicklung kritisch beobachten. Im Gegensatz zu
Hauptschülern, die der Sprachentwicklung keine Bedeutung beimessen. Einerseits
bezeichnen die befragten Hauptschüler Anglizismen wie easy, Kids,
Shop und Casting Show als cool, in und modern. Andererseits geben
sie nicht zu, dass Anglizismen häufig auch unverständlich sind und die
Kommunikation stören. So versehen knapp 90% der befragten Hauptschüler Feedback,
Outplacement und Flash Mob mit einem Fragezeichen. Erschreckend
ist jedoch, dass fast 70% der Hauptschüler nicht in der Lage sind, deutsche
Äquivalente für die Anglizismen anzugeben. Dies trifft vor allem auf
Anglizismen wie Highlight, Mountainbike, Castingshow und canceln
zu. Viele Hauptschüler sind nur in der Lage ihre Gruppensprache, d.h. die
Jugendsprache zu verwenden. Hierdurch werden auch die schlechten Ergebnisse der
Pisa-Studie bestätigt, die den Hauptschülern unzureichende Deutschkenntnisse
vorwirft.
Bei den Gymnasiasten
fällt auf, dass sie die Verwendung von Anglizismen als kritisch bezeichnen.
Ihnen ist einerseits durchaus bewusst, dass Anglizismen wie Weekend, easy
und Shop überflüssig sind. Andererseits geben sie aber zu, diese Lexeme
mit der Begründung, dass sie in sind, häufig zu verwenden. Nur ein geringer
Teil der Gymnasiasten (15%) kennt Termini wie Flash Mob und Outplacement
nicht. Des Weiteren sind die Gymnasiasten in der Lage alle Anglizismen bis
auf Flash Mob und Outplacement durch deutsche Äquivalente zu
ersetzen. Diese positiven Ergebnisse lassen sich durch den erhöhten
Bildungsstandard und den anspruchsvolleren Englischunterricht an Gymnasien
erklären.
Von den
Erwachsenen mit Fachhochschul- bzw. Hochschulreife werden die Anglizismen fast
durchweg (80%) als überflüssig eingestuft. Anstatt Anglizismen zu benutzen
fordern viele, regionale Dialekte zu fördern. Die Anglizismen werden von allen
verstanden und durch korrekte deutsche Entsprechungen wiedergegeben. Aber sie
kritisieren ihre Verwendung, zum Beispiel die deutschen Lexeme leicht und
Stromausfall geben genau das wieder, was uns die unnötig eingesetzten
Anglizsimen easy und Blackout vermitteln wollen. Nur knapp 20%
geben an, sie regelmäßig zu benutzen. Sie finden sie witzig oder manchmal auf den
Punkt bringend.
Ca. 75% der
Erwachsenen mit geringer Schulbildung (Hauptschulabschluss und weniger)
kritisieren die Verwendung von Anglizismen mit der Begründung, dass sie für sie
unverständlich und nicht aussprechbar sind. Diese Gruppe ist nicht in der Lage
selbst einfache Anglizismen wie easy, cash oder canceln
ins Deutsche zu übersetzen.
Bei älteren
Personen (ab 60), auch die, die der mittleren oder sogar der oberen
Bildungsschicht angehören, stoßen die Anglizismen auf Grund ihrer
Unverständlichkeit fast nur auf Ablehnung (85%). Anglizismen sind für sie nicht
aussprechbar und verwirrend. Die Kommunikation wird durch die Verwendung der
Anglizismen gestört. In diesen Fällen verfehlen die Benutzer, die mit den
Anglizismen teilweise Modernität suggerieren wollen, klar ihr Ziel. Gerade
dieses Ergebnis macht nachdenklich, so dass es sich empfiehlt gründlich zu
überlegen, bevor man einen Anglizismus benutzt.
Überraschend war
die Antwort, dass es den Deutschen bei ihrer eigenen Sprache am nationalen
Selbstbewusstsein fehlt und sie so lieber auf Anglizismen ausweichen (15%).
Dieser Aspekt spielt meines Erachtens nur eine geringe Rolle. Bei der
Verwendung von Anglizismen denkt man wohl vielmehr an Imponiergehabe als an zu
geringes nationales Selbstbewusstsein.
Bei den von mir
ausgewerteten Fragebögen ist auch aufgefallen, dass es bei keiner Gruppe zu
wesentlichen geschlechtsspezifischen Unterschieden gekommen ist. Diese Tatsache
könnte man ohne weiteres akzeptieren oder darauf zurückführen, dass von mir nur
ca. 150 Fragebögen ausgewertet wurden. Bei einer höheren Zahl von Fragebögen
wären geschlechtsspezifische Unterschiede vorstellbar. Die anderen Ergebnisse
würden sich meines Erachtens nur geringfügig ändern. Interessant wäre, die
Umfrage nicht nur im Kölner-Raum, sondern auch in Ostdeutschland durchzuführen,
da es dort auf Grund der geringeren Englischkenntnisse - Englisch war bis zur
Wiedervereinigung nicht erste Fremdsprache - zu anderen Ergebnissen kommen
könnte.
Das von mir
erarbeitete Minikorpus könnte noch erweitert werden, indem man Fernsehsendungen
über einen längeren Zeitraum analysiert und das Anglizismenvorkommnen je nach
Sendungsart differenziert. Dadurch erhielte man eine genaue Frequenzangabe über
das Auftreten von bestimmten Anglizismen, die dann wiederum von den Sprechern
bewertet werden müssten.
Wie auch die
Umfrageergebnisse gezeigt haben, lassen sich die von mir ausgewählten
Anglizismen durch deutsche Entsprechungen ersetzen. Eine Ausnahme bilden die
noch recht neuen Lexeme Flash Mob und Outplacement, die sich nur
durch Paraphrasen, die nicht sprachökonomisch sind, umschreiben lassen.
Ich schlage die folgenden Übersetzungen vor:
-
Afterjobparty = Feierabendfete
-
Blackout = hier: totaler Stromausfall, auch
Aussetzer, Filmriss
- Canceln = streichen, absagen
- Cash = Bargeld, bar
- Casting Show = Talentschuppen
-
Easy = locker, einfach, leicht
-
Feedback = Antwort, Echo, Rückmeldung
-
Flash Mob = Die Menschen versammeln sich spontan
und stellen witzige Dinge an und verschwinden nach kurzer Zeit wieder.
-
Highlights = Glanzlicht, Glanzpunkt, Höhepunkt
-
Kids = Kinder, Jugendliche
-
Mountainbike = Geländerad
-
Outplacement (auch Outplacement-Berater) = Entlassung einer Führungskraft unter
gleichzeitiger Vermittlung an ein anderes Unternehmen.
-
Shop = Laden, Geschäft
-
Weekend = Wochenende
Auf Grund der Sprachkontakte,
die in unserer heutigen Gesellschaft existieren, beeinflussen sich Sprachen
gegenseitig und dies geschieht verstärkt durch den Einfluss des Englischen auf
die deutsche Sprache, was durch die Untersuchung unumstritten veranschaulicht
wurde. Anglizismen gehören zu den charakteristischen Merkmalen der deutschen
Gegenwartssprache. Zu ihrer Verbreitung tragen neben den hier untersuchten
audiovisuellen Medien vor allem die Presse bei. Hier aber von einer Überflutung
oder gar Kolonialisierung zu sprechen, geht angesichts der empirischen Befunde
zu weit.[4] Auch das Wort „Denglisch”[5], das in diesem Kontext häufig fällt, geht
meines Erachtens zu weit. Denn der prozentuale Anteil der Anglizismen in den
untersuchten Sendungen ist relativ gering, er schwankt je nach Sendung zwischen
zwei und sechs Prozent. [6] Aber es ist auch falsch, neumodische Anglizismen mit der Begründung, dass
sie meist kurzlebig seien als irrelevant zu betrachten, denn das Merkmal der
Kurzlebigkeit ist recht unzuverlässig und es kann erst im Nachhinein
entschieden werden, ob bestimmte Anglizismen assimiliert werden oder wieder aus
dem Wortschatz verschwinden. Folglich ist ein reflektierter Anglizismengebrauch
zu empfehlen, der teilweise sogar zur Erweiterung der sprachlichen Kompetenz
beitragen kann und einerseits einen partiellen Gewinn darstellt, d.h. die
Sprache wird differenzierter, aber andererseits dürfen nicht zu viele
traditionelle Lexeme verloren gehen. An dieser Stelle muss aber auch gesagt
werden, dass obwohl für die Mehrzahl der Anglizismen deutsche Entsprechungen
existieren, oft die fremdsprachigen Wörter vorgezogen werden (Vgl. Zimmer
1997). Deshalb muss es aber nicht gleich zur der Bildung einer Kommission oder
zur Verabschiedung eines Gesetzes zur Sprachpflege kommen, wie es in Frankreich
mit der Loi Toubon der Fall ist. Man benötigt auch keine Sprachvereine
wie den z.B. 1885 gegründeten Allgemeinen Deutschen Sprachverein, der
die Reinigung der deutschen Sprache von fremden Bestandteilen forderte. Eine
Sprache ist ein offenes System, das sich ständig weiterentwickelt. Es ist also
an der Zeit eine seriöse Diskussion unter Sprachwissenschaftlern bzw.
Sprachvereinen zu führen, deren Ergebnisse dann von Bildungseinrichtungen und
Medien berücksichtigt werden müssten.
Die Verwendung
von Anglizismen sollte nicht über das Sinnvolle bzw. Angemessene hinausgehen.
Was wir uns nach wie vor vor Augen halten müssen, ist, dass die englische
Sprache unangefochten die Lingua franca in der ganzen Welt ist, womit
die Menschheit einem einheitlichen internationalen Kommunikationswerkzeug immer
näher kommt, wobei Vor- und Nachteile dieser Situation, die eine
Sprachenvielfalt fast unmöglich macht, hier aus Platzgründen nicht diskutiert
werden können. Da wir in der heutigen Zeit auf weltweite wirtschaftliche,
wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit angewiesen sind, brauchen wir
ein geeignetes Werkzeug zur internationalen Verständigung und da eignet sich
das Englische besonders gut, denn es ist weltweit die meist gelernte
Zweitsprache. Diese Zweitsprache darf aber keinesfalls unsere eigene
Muttersprache verdrängen, so dass nur der reflektierte Umgang mit Anglizismen
zu empfehlen ist, der aber auf keinen Fall rechtfertigen darf, dass die
Sprecher unnötig mit Lexemen wie freecall und weekend statt kostenloser
Anruf / Freigespräch und Wochenende konfrontiert werden. Das Gleiche
gilt auch für die folgenden Lexeme, die sich immer mehr im Deutschen
durchsetzen, so sind Junggesellen singles (auch in Komposita z.B. Single-Haushalt,
etc.), abends sehen wir statt Nachrichten die news und eingekauft
wird mittlerweile nur noch in shops und am Wochenende biken wir
dann durch den Stadtwald. Die an dieser Stelle von mir genannten Beispiele sind
natürlich scherzhaft gemeint, aber leider spiegeln sie in gewisser Weise die
Sprachrealität wider, was auch durch Zimmers (1997) und Ammons (1991)
Untersuchungen belegt wird. Laut ihren Untersuchungen liegt Deutsch bei
Übernahmen aus dem Englischen in Europa an der Spitze.
In meiner Umfrage
wurden zahlreiche Anglizismen von den älteren Sprechern als unverständlich
bewertet, was wiederum ein Anzeichen dafür ist, das nur ein reflektierter
Anglizismengebrauch sinnvoll ist, um mögliche Missverständnisse beim Sprecher
oder Leser zu vermeiden. Das Gleiche belegen auch die Ergebnisse einer im
September 2003 (Erhebungszeitraum Juni / Juli 2003) veröffentlichten Studie zum
Verständnis von englischen Werbeslogans / Werbeschlagwörtern, die in letzter
Zeit immer häufiger in Deutschland verwendet werden, um Zielgruppen emotional
anzusprechen und Produkte in einer bestimmten Art und Weise zu positionieren.
Das überraschende Ergebnis der von Endmark durchgeführten Studie ist,
dass die meisten Werbeslogan gar nicht bzw. nicht im Sinne der jeweiligen
Absender verstanden werden. Die Sprache der Marketing-Agenturen ist also immer
weiter von der Sprachrealität ihrer Zielgruppen entfernt. Nur so sind folgende,
recht amüsante, Fehlübersetzungen zu verstehen:
-
Drive Alive (Mitsubishi) wird fälschlicherweise durch
„Fahre lebend”, „Die Fahrt überleben”, anstatt durch „Lebendiges Fahren”
übersetzt. Die Verständnisquote liegt laut Umfrage nur bei 18%.
-
Where money lives (Citibank) wird durch „Wo Manni lebt.”,
„Das Leben des Geldes.” anstatt durch „Wo das Geld lebt (etwas tut)” übersetzt.
Die Verständnisquote liegt laut Umfrage bei 21%.
-
There's no better way to
fly (Lufthansa) = Es gibt
keine bessere Art zu fliegen. Das ist laut Umfrage der verständlichste Werbespruch
(54%). Trotzdem kommt es zu Übersetzungsfehlern wie „Da ist keine bessere
Route.”, „Nur Fliegen ist schöner.”
Abschließend
möchte ich noch den folgenden Text anführen, um zu veranschaulichen, wozu
übertriebener Anglizismengebrauch führen kann:
Mist bleibt Mist
Die Leute haben
einen Schplien,
denn "sauber" heißt ein Ungeist klien,
die Kinder aber nennt er Kids
und Rundfunkschlager sind die Hits.
Zur Moddern-Art zählt die Graffiti,
ein Stadtzentrum wird schlicht zur Sitti,
des Menschen Arbeit bloß zum Job,
der große Reinfall nur ein Flop.
Das Bier trinkt man in Zukunft leiht,
geteimt heißt neudeutsch - gut in Zeit.
man spricht von Logo, Expo, Disko,
bedient Kompjuter, zahlt mit Euro.
Man sörft herum im Internet
und fliegt davon im Superjet.
Die Jugend sketet, beikt, ist in -
und laaft nach Techno in Berlin.
Wer einst Barbier ist nun Steilist...
Dem Himmel Dank, - der Mist bleibt Mist!
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Wolfgang Günther
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[1] Der Terminus Anglizismen
bezieht sich in diesem Beitrag sowohl auf Amerikanismen als auch auf
Britizismen, da die Etymologie der einzelnen Beispiele für die Verwendung
irrelevant ist.
[2] Vgl. hierzu auch Eichhoff-Cyrus, Karin / Hoberg,
Rudolf (2000).
[3] Kids und Kinder werden nicht
identisch verwendet. Kids kommt meist nur im Plural vor und dient zur
Bezeichnung der heutigen Jugendlichen.
[4] Es gibt durchaus Autoren die
das anders sehen und von einer Gefährdung der deutschen Sprache sprechen.
Hierzu gehören u.a. Dieter E. Zimmer mit seinem Werk Deutsch und anders. Die
Sprache im Modernisierungsfieber und teilweise der Verein Deutsche Sprache.
[5] Dieser Terminus, der häufig von
dem Verein Deutsche Sprache benutzt wird, bezieht sich auf einen Wortmischmasch
aus deutschen und englischen Wörtern.
[6] Zwei Prozent bei
Gesprächsrunden mit sehr seriösen Gesprächspartnern, z.B. die Sendung Sabine
Christiansen oder fast 6% in der Harald Schmidt Show.
sent: 2003.03.29
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