Die Bewertung von Anglizismen im gesprochenen Deutsch

Dirk Hofmann, Universidad de Valladolid (Spanien)

 

Index

 

1 Einleitung

2 Anglizismen in der gesprochenen Sprache

3 Zur Lexikalisierung und Bewertung der Anglizismen

4 Zur Übersetzung der untersuchten Anglizismen

5 Fazit

Bibliographie

 

1 Einleitung

 

Wenn man überlegt, welche linguistischen Themen die Öffentlichkeit in der letzten Zeit am meisten erregt haben, sind vor allem die Rechtschreibreform und der Verfall der deutschen Sprache zu nennen, worauf auch der Verein Deutsche Sprache regelmäßig aufmerksam macht. Hierzu trägt meiner Meinung auch die übermäßige Verwendung von Anglizsimen bei. Unter dem Ausdruck Anglizismus versteht man jegliche Beeinflussung des Deutschen durch die englische Sprache, was sich schon seit 1945 beobachten lässt, als die Deutschen mit Lexemen wie Boogie-Woogie, ihren American Way of Life erfuhren.

Anglizismen[1] treten im Zeitalter der Globalisierung und der Moderne verstärkter auf als es noch vor 50 Jahren der Fall war. Ihr Ziel ist es, Fachwissen, Modernität, Jugendlichkeit und Gruppenidentität zu signalisieren. Das gilt vor allem für viele Innovationen, die ihren Ursprung in den USA haben und gleich ihren Namen mitbringen, z.B. DVD (digital versatile disk), E-Mail, etc., und für die es im Deutschen keine Äquivalente bzw. nur wenig sprachökonomische Äquivalente gibt, d.h. auch hier folgt man dem Trend der sprachlichen Ökonomie, der sich in jüngster Zeit in der deutschen Gegenwartssprache u.a. mittels Kurzwörter beobachten lässt. Wenn man jedoch von diesem Bereich der Informations- und Computertechnik absieht, der auf Grund seiner geschichtlichen Entwicklung mit Anglizsimen belastet ist, stellt sich die Frage, inwieweit die Verwendung von Anglizismen notwendig bzw. sinnvoll ist. Nicht zu Unrecht ist in Deutschland oft die Rede von der Überfremdung oder sogar vom Verfall[2] der deutschen Sprache. Zudem haben viele Sprecher die fremden Lexeme in die eigene Sprache integriert und sehen sie nicht mehr als fremdes Wortgut an.

 

 

2 Anglizismen in der gesprochenen Sprache

 

Um das Auftreten von Anglizismen darzulegen, habe ich die gesprochene Sprache analysiert, da sie hier im Vergleich zur Schriftsprache spontan benutzt werden. Hierzu eignet sich besonders die Untersuchung von Radio- und Fernsehsendungen und in besonderem Maße, die dort vorkommenden Interviews, da die Anglizismen dort unwillkürlich benutzt werden. Werbesendungen, Computersendungen und Sportübertragungen habe ich bei meiner Untersuchung bewusst ausgeschlossen. Bei der Werbung haben wir es mit vorgeformten Werbetexten zu tun, so dass hier von Spontaneität keine Rede sein kann. Des Weiteren wird der Käufer hier mit einer Flut von Anglizismen „bombardiert”, deren Analyse mir wenig sinnvoll erscheint. Das Gleiche geschieht bei Sportsendungen, wo der Zuschauer häufig mit Ausdrücken wie golden goal, penalty, Champions League, usw. konfrontiert wird. Das Gleiche gilt für Computersendungen, die Anglizismen verwenden, die oft über die Allgemeinsprache hinausgehen und dem Durchschnittssprecher ebenso unbekannt bleiben können wie zahlreiche gräkolateinische Termini in anderen Fachbereichen.

Interessanter sind in dieser Hinsicht Informationssendungen, Gesprächsrunden, Interviews und Kindersendungen. Im so genannten „Fernsehdeutsch” wird meines Erachtens eine gemeinsprachliche Standardsprache benutzt, die der reellen Sprachverwendung entspricht. In den analysierten Sendungen dienen die Anglizismen der semantisch-stilistischen Aufwertung, so haben sie im Vergleich zu deutschen Lexemen oft andere, positivere Konnotationen als die deutschen Entsprechungen.  Hinzu kommt die Ausdruckskraft, d.h. Anglizismen können eine Rede lebendiger gestalten und somit das Interesse der Rezipienten erregen. Die bereits erwähnte Sprachökonomie ist ein Merkmal der Gegenwartssprache, d.h. mit minimalem sprachlichem Aufwand soll eine maximale sprachliche Effektivität erreicht werden.

 

 

3 Zur Lexikalisierung und Bewertung der Anglizismen

 

Abschließend soll geprüft werden, inwieweit der Gebrauch der auftretenden Anglizismen sinnvoll ist, oder ob sie ggf. durch deutsche Lexeme ersetzt werden können.

Zur abschließenden Bewertung des Anglizismengebrauchs sollten die Probanden folgende Fragen beantworten:

 

1)   Angaben zur Person:

Alter:                                                           Geschlecht:

Bildung:

Beruf:

2)   Wie bewerten Sie die Verwendung der einzelnen Anglizismen, z.B. sinnvoll; überflüssig; genau; ungenau; einfache, schwierige Aussprache; etc.? Begründen Sie Ihre Meinung!

3)   Ist Ihnen die Bedeutung der einzelnen Anglizismen bekannt? Ersetzen Sie die englischen Wörter durch deutsche Entsprechungen!

-        Afterjobparty (Radio Köln, 15.10.03)

-        Blackout (WDR 2, Morgenmagazin, 02.10.03)

-        Canceln (Radio Köln, Treff nach Neun 14.10.03)

-        Cash (DW, Alltagsdeutsch, 02.10.03)

-        Casting Show (ZDF, Johannes B. Kerner, 03.10.03)

-        Easy (KIKA, Logo, 13.10.03)

-        Feedback (Maischberger, ARD, 14.10.03)

-        Flash Mob (WDR 2, Morgenmagazin, 01.10.03)

-        Highlights (SAT 1, Harald Schmidt Show, 02.10.03)

-        Kids[3] (KIKA, Logo, 02.10.03)

-        Mountainbike (KIKA, Logo, 02.10.03)

-        Outplacement (ARD, Plusminus, 07.10.03)

-        Shop (SAT 1, Harald Schmidt Show, 10.10.03)

-        Weekend (SAT 1, Harald Schmidt Show, 09.10.03)

 

Von den analysierten Lexemen sind bereits alle bis auf Flash Mob in der letzten Ausgabe des Duden Universalwörterbuchs verzeichnet. Anstatt von Afterjobparty spricht der Duden von Afterworkparty, womit aber das Gleiche gemeint ist. Somit gehören sie zumindest laut der Duden Wörterbuchredaktion zum deutschen Wortschatz, was aber nicht heißt, dass sie dort für immer verankert bleiben. Weitere Ausgaben werden zeigen, inwieweit die o.g. Anglizismen assimiliert werden und ob sie von der Sprachgemeinschaft noch weiter verwendet werden. Die Aufnahme der o.g. Lexeme in das Duden Universalwörterbuch rechtfertigen aber nicht ihren uneingeschränkten Gebrauch wie die folgenden Umfrageergebnisse zeigen.

Im Folgenden sollen die Umfrageergebnisse resümiert und analysiert werden. Auf eine detaillierte Darstellung der Ergebnisse möchte ich an dieser Stelle verzichten:

Die Auswertung des Fragebogens zeigt, das Sprecher mit hoher Schulbildung und erst ab einem gewissen Alter die Sprachentwicklung kritisch beobachten. Im Gegensatz zu Hauptschülern, die der Sprachentwicklung keine Bedeutung beimessen. Einerseits bezeichnen die befragten Hauptschüler Anglizismen wie easy, Kids, Shop und Casting Show als cool, in und modern. Andererseits geben sie nicht zu, dass Anglizismen häufig auch unverständlich sind und die Kommunikation stören. So versehen knapp 90% der befragten Hauptschüler Feedback, Outplacement und Flash Mob mit einem Fragezeichen. Erschreckend ist jedoch, dass fast 70% der Hauptschüler nicht in der Lage sind, deutsche Äquivalente für die Anglizismen anzugeben. Dies trifft vor allem auf Anglizismen wie Highlight, Mountainbike, Castingshow und canceln zu. Viele Hauptschüler sind nur in der Lage ihre Gruppensprache, d.h. die Jugendsprache zu verwenden. Hierdurch werden auch die schlechten Ergebnisse der Pisa-Studie bestätigt, die den Hauptschülern unzureichende Deutschkenntnisse vorwirft.

Bei den Gymnasiasten fällt auf, dass sie die Verwendung von Anglizismen als kritisch bezeichnen. Ihnen ist einerseits durchaus bewusst, dass Anglizismen wie Weekend, easy und Shop überflüssig sind. Andererseits geben sie aber zu, diese Lexeme mit der Begründung, dass sie in sind, häufig zu verwenden. Nur ein geringer Teil der Gymnasiasten (15%) kennt Termini wie Flash Mob und Outplacement nicht. Des Weiteren sind die Gymnasiasten in der Lage alle Anglizismen bis auf Flash Mob und Outplacement durch deutsche Äquivalente zu ersetzen. Diese positiven Ergebnisse lassen sich durch den erhöhten Bildungsstandard und den anspruchsvolleren Englischunterricht an Gymnasien erklären. 

Von den Erwachsenen mit Fachhochschul- bzw. Hochschulreife werden die Anglizismen fast durchweg (80%) als überflüssig eingestuft. Anstatt Anglizismen zu benutzen fordern viele, regionale Dialekte zu fördern. Die Anglizismen werden von allen verstanden und durch korrekte deutsche Entsprechungen wiedergegeben. Aber sie kritisieren ihre Verwendung, zum Beispiel die deutschen Lexeme leicht und Stromausfall geben genau das wieder, was uns die unnötig eingesetzten Anglizsimen easy und Blackout vermitteln wollen. Nur knapp 20% geben an, sie regelmäßig zu benutzen. Sie finden sie witzig oder manchmal auf den Punkt bringend.

Ca. 75% der Erwachsenen mit geringer Schulbildung (Hauptschulabschluss und weniger) kritisieren die Verwendung von Anglizismen mit der Begründung, dass sie für sie unverständlich und nicht aussprechbar sind. Diese Gruppe ist nicht in der Lage selbst einfache Anglizismen wie easy, cash oder canceln ins Deutsche zu übersetzen.

Bei älteren Personen (ab 60), auch die, die der mittleren oder sogar der oberen Bildungsschicht angehören, stoßen die Anglizismen auf Grund ihrer Unverständlichkeit fast nur auf Ablehnung (85%). Anglizismen sind für sie nicht aussprechbar und verwirrend. Die Kommunikation wird durch die Verwendung der Anglizismen gestört. In diesen Fällen verfehlen die Benutzer, die mit den Anglizismen teilweise Modernität suggerieren wollen, klar ihr Ziel. Gerade dieses Ergebnis macht nachdenklich, so dass es sich empfiehlt gründlich zu überlegen, bevor man einen Anglizismus benutzt.

Überraschend war die Antwort, dass es den Deutschen bei ihrer eigenen Sprache am nationalen Selbstbewusstsein fehlt und sie so lieber auf Anglizismen ausweichen (15%). Dieser Aspekt spielt meines Erachtens nur eine geringe Rolle. Bei der Verwendung von Anglizismen denkt man wohl vielmehr an Imponiergehabe als an zu geringes nationales Selbstbewusstsein.

Bei den von mir ausgewerteten Fragebögen ist auch aufgefallen, dass es bei keiner Gruppe zu wesentlichen geschlechtsspezifischen Unterschieden gekommen ist. Diese Tatsache könnte man ohne weiteres akzeptieren oder darauf zurückführen, dass von mir nur ca. 150 Fragebögen ausgewertet wurden. Bei einer höheren Zahl von Fragebögen wären geschlechtsspezifische Unterschiede vorstellbar. Die anderen Ergebnisse würden sich meines Erachtens nur geringfügig ändern. Interessant wäre, die Umfrage nicht nur im Kölner-Raum, sondern auch in Ostdeutschland durchzuführen, da es dort auf Grund der geringeren Englischkenntnisse - Englisch war bis zur Wiedervereinigung nicht erste Fremdsprache - zu anderen Ergebnissen kommen könnte.

Das von mir erarbeitete Minikorpus könnte noch erweitert werden, indem man Fernsehsendungen über einen längeren Zeitraum analysiert und das Anglizismenvorkommnen je nach Sendungsart differenziert. Dadurch erhielte man eine genaue Frequenzangabe über das Auftreten von bestimmten Anglizismen, die dann wiederum von den Sprechern bewertet werden müssten.

 

 

4 Zur Übersetzung der untersuchten Anglizismen

 

Wie auch die Umfrageergebnisse gezeigt haben, lassen sich die von mir ausgewählten Anglizismen durch deutsche Entsprechungen ersetzen. Eine Ausnahme bilden die noch recht neuen Lexeme Flash Mob und Outplacement, die sich nur durch  Paraphrasen, die nicht sprachökonomisch sind, umschreiben lassen. Ich schlage die folgenden Übersetzungen vor:

 

-        Afterjobparty = Feierabendfete

-        Blackout = hier: totaler Stromausfall, auch Aussetzer, Filmriss

-        Canceln = streichen, absagen

-        Cash = Bargeld, bar

-        Casting Show = Talentschuppen

-        Easy = locker, einfach, leicht

-        Feedback = Antwort, Echo, Rückmeldung

-        Flash Mob = Die Menschen versammeln sich spontan und stellen witzige Dinge an und verschwinden nach kurzer Zeit wieder.

-        Highlights = Glanzlicht, Glanzpunkt, Höhepunkt

-        Kids = Kinder, Jugendliche

-        Mountainbike = Geländerad

-        Outplacement (auch Outplacement-Berater) = Entlassung einer Führungskraft unter gleichzeitiger Vermittlung an ein anderes Unternehmen.

-        Shop = Laden, Geschäft

-        Weekend = Wochenende

 

 

5 Fazit

 

Auf Grund der Sprachkontakte, die in unserer heutigen Gesellschaft existieren, beeinflussen sich Sprachen gegenseitig und dies geschieht verstärkt durch den Einfluss des Englischen auf die deutsche Sprache, was durch die Untersuchung unumstritten veranschaulicht wurde. Anglizismen gehören zu den charakteristischen Merkmalen der deutschen Gegenwartssprache. Zu ihrer Verbreitung tragen neben den hier untersuchten audiovisuellen Medien vor allem die Presse bei. Hier aber von einer Überflutung oder gar Kolonialisierung zu sprechen, geht angesichts der empirischen Befunde zu weit.[4] Auch das Wort „Denglisch”[5], das in diesem Kontext häufig fällt, geht meines Erachtens zu weit. Denn der prozentuale Anteil der Anglizismen in den untersuchten Sendungen ist relativ gering, er schwankt je nach Sendung zwischen zwei und sechs Prozent. [6] Aber es ist auch falsch, neumodische Anglizismen mit der Begründung, dass sie meist kurzlebig seien als irrelevant zu betrachten, denn das Merkmal der Kurzlebigkeit ist recht unzuverlässig und es kann erst im Nachhinein entschieden werden, ob bestimmte Anglizismen assimiliert werden oder wieder aus dem Wortschatz verschwinden. Folglich ist ein reflektierter Anglizismengebrauch zu empfehlen, der teilweise sogar zur Erweiterung der sprachlichen Kompetenz beitragen kann und einerseits einen partiellen Gewinn darstellt, d.h. die Sprache wird differenzierter, aber andererseits dürfen nicht zu viele traditionelle Lexeme verloren gehen. An dieser Stelle muss aber auch gesagt werden, dass obwohl für die Mehrzahl der Anglizismen deutsche Entsprechungen existieren, oft die fremdsprachigen Wörter vorgezogen werden (Vgl. Zimmer 1997). Deshalb muss es aber nicht gleich zur der Bildung einer Kommission oder zur Verabschiedung eines Gesetzes zur Sprachpflege kommen, wie es in Frankreich mit der Loi Toubon der Fall ist. Man benötigt auch keine Sprachvereine wie den z.B. 1885 gegründeten Allgemeinen Deutschen Sprachverein, der die Reinigung der deutschen Sprache von fremden Bestandteilen forderte. Eine Sprache ist ein offenes System, das sich ständig weiterentwickelt. Es ist also an der Zeit eine seriöse Diskussion unter Sprachwissenschaftlern bzw. Sprachvereinen zu führen, deren Ergebnisse dann von Bildungseinrichtungen und Medien berücksichtigt werden müssten.

Die Verwendung von Anglizismen sollte nicht über das Sinnvolle bzw. Angemessene hinausgehen. Was wir uns nach wie vor vor Augen halten müssen, ist, dass die englische Sprache unangefochten die Lingua franca in der ganzen Welt ist, womit die Menschheit einem einheitlichen internationalen Kommunikationswerkzeug immer näher kommt, wobei Vor- und Nachteile dieser Situation, die eine Sprachenvielfalt fast unmöglich macht, hier aus Platzgründen nicht diskutiert werden können. Da wir in der heutigen Zeit auf weltweite wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit angewiesen sind, brauchen wir ein geeignetes Werkzeug zur internationalen Verständigung und da eignet sich das Englische besonders gut, denn es ist weltweit die meist gelernte Zweitsprache. Diese Zweitsprache darf aber keinesfalls unsere eigene Muttersprache verdrängen, so dass nur der reflektierte Umgang mit Anglizismen zu empfehlen ist, der aber auf keinen Fall rechtfertigen darf, dass die Sprecher unnötig mit Lexemen wie freecall und weekend statt kostenloser Anruf / Freigespräch und Wochenende konfrontiert werden. Das Gleiche gilt auch für die folgenden Lexeme, die sich immer mehr im Deutschen durchsetzen, so sind Junggesellen singles (auch in Komposita z.B. Single-Haushalt, etc.), abends sehen wir statt Nachrichten die news und eingekauft wird mittlerweile nur noch in shops und am Wochenende biken wir dann durch den Stadtwald. Die an dieser Stelle von mir genannten Beispiele sind natürlich scherzhaft gemeint, aber leider spiegeln sie in gewisser Weise die Sprachrealität wider, was auch durch Zimmers (1997) und Ammons (1991) Untersuchungen belegt wird. Laut ihren Untersuchungen liegt Deutsch bei Übernahmen aus dem Englischen in Europa an der Spitze.

In meiner Umfrage wurden zahlreiche Anglizismen von den älteren Sprechern als unverständlich bewertet, was wiederum ein Anzeichen dafür ist, das nur ein reflektierter Anglizismengebrauch sinnvoll ist, um mögliche Missverständnisse beim Sprecher oder Leser zu vermeiden. Das Gleiche belegen auch die Ergebnisse einer im September 2003 (Erhebungszeitraum Juni / Juli 2003) veröffentlichten Studie zum Verständnis von englischen Werbeslogans / Werbeschlagwörtern, die in letzter Zeit immer häufiger in Deutschland verwendet werden, um Zielgruppen emotional anzusprechen und Produkte in einer bestimmten Art und Weise zu positionieren. Das überraschende Ergebnis der von Endmark durchgeführten Studie ist, dass die meisten Werbeslogan gar nicht bzw. nicht im Sinne der jeweiligen Absender verstanden werden. Die Sprache der Marketing-Agenturen ist also immer weiter von der Sprachrealität ihrer Zielgruppen entfernt. Nur so sind folgende, recht amüsante, Fehlübersetzungen zu verstehen:

 

-        Drive Alive (Mitsubishi) wird fälschlicherweise durch „Fahre lebend”, „Die Fahrt überleben”, anstatt durch „Lebendiges Fahren” übersetzt. Die Verständnisquote liegt laut Umfrage nur bei 18%.

-        Where money lives (Citibank) wird durch „Wo Manni lebt.”, „Das Leben des Geldes.” anstatt durch „Wo das Geld lebt (etwas tut)” übersetzt. Die Verständnisquote liegt laut Umfrage bei 21%.

-        There's no better way to fly (Lufthansa) = Es gibt keine bessere Art zu fliegen. Das ist laut Umfrage der verständlichste Werbespruch (54%). Trotzdem kommt es zu Übersetzungsfehlern wie  „Da ist keine bessere Route.”, „Nur Fliegen ist schöner.”

 

Abschließend möchte ich noch den folgenden Text anführen, um zu veranschaulichen, wozu übertriebener Anglizismengebrauch führen kann:

 

Mist bleibt Mist

Die Leute haben einen Schplien,
denn "sauber" heißt ein Ungeist klien,
die Kinder aber nennt er Kids
und Rundfunkschlager sind die Hits.
Zur Moddern-Art zählt die Graffiti,
ein Stadtzentrum wird schlicht zur Sitti,
des Menschen Arbeit bloß zum Job,
der große Reinfall nur ein Flop.
Das Bier trinkt man in Zukunft leiht,
geteimt heißt neudeutsch - gut in Zeit.
man spricht von Logo, Expo, Disko,
bedient Kompjuter, zahlt mit Euro.
Man sörft herum im Internet
und fliegt davon im Superjet.
Die Jugend sketet, beikt, ist in -
und laaft nach Techno in Berlin.
Wer einst Barbier ist nun Steilist...
Dem Himmel Dank, - der Mist bleibt Mist!

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Wolfgang Günther

 

 

Bibliographie

 

Ammon, Ulrich (1991): Die internationale Stellung der deutschen Sprache. Berlin: De Gruyter.

Bartsch, Sabine / Siegrist, Leslie (2002): „Anglizismen in Fachsprachen des Deutschen.” Muttersprache 112, 309-323.

Carstensen, Broder (1965): Englische Einflüsse auf die deutsche Sprache nach 1945. Heidelberg: Winter Verlag.

Duden (52003): Deutsches Universalwörterbuch. Mannheim: Dudenverlag.

Eichhoff-Cyrus, Karin / Hoberg, Rudolf (Hg.) (2000): Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende. Sprachkultur oder Sprachverfall? Mannheim: Dudenverlag.

Förster, Uwe et al. (1999): „Englisch in unserer Sprache.” Der Sprachdienst 1, 16-27.

Gesellschaft für deutsche Sprache (1999): „Deutsch und Englisch. Stellungnahme der Gesellschaft für deutsche Sprache zum englischen Einfluss auf die deutsche Gegenwartssprache.” Der Sprachdienst 6, 217-222.

Glahn, Richard (2001): „Anglizismen - Ursachen für den häufigen Gebrauch.” Muttersprache 11, 25-35.

Glahn, Richard (2000): Der Einfluss des Englischen auf die gesprochene deutsche Gegenwartssprache. Frankfurt: Peter Lang.

Hoberg, Rudolf (Hg.) (2002): Deutsch - Englisch - Europäisch. Impulse für eine neue Sprachpolitik. Dudenverlag. Mannheim.

Hofmann, Dirk (2002): „Do you understand Denglisch? Eine Umfrage zum Anglizismenverständnis.” In: Hoberg, Rudolf (Hg.), Deutsch - Englisch - Europäisch. Impulse für eine neue Sprachpolitik. Mannheim: Dudenverlag, 236-246.

O' Halloran, Edel (2002): „Gallizismen und Anglizismen in der deutschen Mode- und Gemeinsprache im 20. Jahrhundert.” Deutsche Sprache 1, 50-65.

Stickel, Gerhard (Hg.) (2001): Neues und Fremdes im deutschen Wortschatz. Jahrbuch 2000 des Instituts für Deutsche Sprache. Berlin: De Gruyter.

Zimmer, Dieter E. (1997): Deutsch und anders - die Sprache im Modernisierungsfieber. Reinbek: Rohwolt.

 


 


[1] Der Terminus Anglizismen bezieht sich in diesem Beitrag sowohl auf Amerikanismen als auch auf Britizismen, da die Etymologie der einzelnen Beispiele für die Verwendung irrelevant ist.

[2]  Vgl. hierzu auch Eichhoff-Cyrus, Karin / Hoberg, Rudolf (2000).

[3] Kids und Kinder werden nicht identisch verwendet. Kids kommt meist nur im Plural vor und dient zur Bezeichnung der heutigen Jugendlichen.

[4] Es gibt durchaus Autoren die das anders sehen und von einer Gefährdung  der deutschen Sprache sprechen. Hierzu gehören u.a. Dieter E. Zimmer mit seinem Werk Deutsch und anders. Die Sprache im Modernisierungsfieber und teilweise der Verein Deutsche Sprache.

[5] Dieser Terminus, der häufig von dem Verein Deutsche Sprache benutzt wird, bezieht sich auf einen Wortmischmasch aus deutschen und englischen Wörtern.

[6] Zwei Prozent bei Gesprächsrunden mit sehr seriösen Gesprächspartnern, z.B. die Sendung Sabine Christiansen oder fast 6% in der Harald Schmidt Show.

 

 

sent: 2003.03.29

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